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DIE STOFFE
anzuwenden, um eine genügende Vertrautheit mit diesen Begriffen für
die Behandlung schwierigerer zu erreichen. Alsdann wird auch der all-
gemeine Ausspruch des Gesetzes mitgeteilt werden, dessen Formulierung
von W. Gibbs (1876) herrührt.
Aus dem bekannten Verhalten der in Berührung mit der Flüssigkeit
stehenden oder, wie man sie auch nennt, der gesättigten Dämpfe ergibt
sich als notwendig, daß weder die absoluten, noch die relativen Mengen,
in denen die beiden Phasen anwesend sind, einen Einfluß auf den Druck
aaben, Dies ist gleichfalls ein besonderer Fall eines allgemeinen Gesetzes:
Auf das Gleichgewicht zwischen zwei beliebigen Phasen haben
die Mengen, in denen sie anwesend sind, keinen Einfluß. Auch
von diesem Gesetz wird in der Folge sehr häufig Anwendung zu machen sein.
Sind die Mengen einer Phase sehr klein, so tritt allerdings ein Einfluß
auf, der unterhalb einer gewissen Grenze merklich wird. Dies rührt daher,
daß alsdann die Oberflächenenergie beginnt, für den Zustand mit-
bestimmend zu werden. Bei Gelegenheit des entsprechenden Kapitels wird
alerauf eingegangen werden.
Der Dampfdruck. Das Gleichgewicht zwischen Flüssigkeit und Dampf
wird also im allgemeinen durch eine Formel von der Gestalt p = f(T) dar-
gestellt, wo f(T) eine vorläufig unbekannte Funktion der Temperatur ist,
von der man dem oben ausgesprochenen Gesetz gemäß weiß, daß sie gleich-
zeitig mit der Temperatur zunimmt. Im übrigen wird sie sowohl von der
Beschaffenheit des Dampfes wie von der der Flüssigkeit abhängen, und die
Eigenschaften beider zum Ausdruck bringen.
Die Beziehung zwischen Druck und Temperatur beim Gleichgewicht
von Flüssigkeit mit Dampf wird experimentell auf zwei Wegen bestimmt.
Entweder mißt man die Drucke, welche sich herstellen, wenn man einen
mit Flüssigkeit und Dampf erfüllten Raum auf die gewünschte Temperatur
bringt, oder man bestimmt die Temperatur, bei welcher unter dem ein-
gehaltenen Drucke sich Dampf neben der Flüssigkeit bilden kann. Das
erste Verfahren wird das statische genannt; es ist früher fast ausschließ-
lich benutzt worden, hat sich aber als das weniger genaue erwiesen. Das
zweite wird gewöhnlich so ausgeführt, daß man die Flüssigkeit unter dem
fraglichen Drucke sieden, d.h. Dampfblasen entwickeln läßt, indem
man gleichzeitig von außen die erforderliche Wärme zuführt; es heißt das
dynamische und wird gegenwärtig fast allein zu genauen Messungen be-
nutzt. Die zu einem bestimmten Drucke gehörige Temperatur heißt der
Siedepunkt der Flüssigkeit für den bestimmten Druck; der Druck, der
sich bei einer bestimmten Temperatur einstellt, heißt der Dampfdruck
der Flüssigkeit bei jener Temperatur.
Man findet statt des Namens Dampfdruck häufig Dampfspannung
oder gar Dampftension im Gebrauch. Es ist sehr zu wünschen, daß hier
eine größere Bestimmtheit Platz greift, In diesem.Buche werden Span-
nungen nur die Wirkungen genannt werden, welche in Oberflächen auf-
treten, und die Kapillarerscheinungen verursachen: ihre Dimension ist