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DIE STOFFE
rationeller auf ein Mol; der letztere Wert mag das kritische Molarvolum
heißen.
Die experimentelle Bestimmung der kritischen Größen ist gegenwärtig an
sich keine schwierige Arbeit, soweit nicht durch die Zersetzlichkeit der Stoffe
bei den meist hohen Temperaturen besondere Schwierigkeiten entstehen.
Am leichtesten läßt sich die kritische Temperatur bestimmen. Man schließt
zu diesem Zweck den Stoff in eine Glasröhre ein, die er etwas mehr als zur
Hälfte .ausfüllt. Das Rohr wird zugeschmolzen und langsam erhitzt, bis
man an einer charakteristischen Nebelerscheinung das Eintreten des kritischen
Zustandes erkennt; noch leichter läßt sich dieser beim Abkühlen erkennen,
ınd durch Wiederholung des Versuches gelangt man bald zu guten Werten.
Man könnte gegen dies Verfahren den Einwand erheben, daß die kritische
Temperatur genau erst eintritt, wenn man gerade das kritische Volum ge-
troffen hat. Doch sieht man aus der Fig. 12, daß eine große Änderung des
Volums nur einen kleinen Einfluß auf den kritischen Punkt hat, da gerade
an dieser Stelle die Isothermen alle fast parallel der Volumachse verlaufen.
Um den kritischen Druck zu bestimmen, schließt man die Flüssigkeit in
eine längere Röhre, die mit einem Kompressionsapparat und einem Mano-
meter verbunden ist, und erwärmt die Röhre an ihrem oberen Ende über
die kritische Temperatur, während man den Druck unter dem kritischen
hält. Dann bildet sich eine Trennungsfläche zwischen Flüssigkeit und Dampf
aus. Man steigert den Druck, bis diese eben verschwindet; das Manometer
zeigt dann den kritischen Druck an. Dies Verfahren ist von Ostwald an-
gegeben und von Altschul (1892) zuerst benutzt worden.
Das kritische Volum ist etwas schwieriger zu bestimmen. Man benutzt
dazu ein von Mathias (1892) gefundenes Gesetz. Zeichnet man in ein
Koordinatensystem die Tem-
peraturen und die Dichten des
Stoffes im flüssigen und gas-
©Ormigen Zustande, so erhält
nan für jede Temperatur zwei
Yunkte, die sich um so näher
rücken, je höher die Tempe-
ratur wird, und die im kriti-
schen Punkte zusammenfallen.
Die Gesamtheit dieser Punkte
erscheint wie in Fig. ı3 als
eine parabelartige Kurve. Diese
aat die Eigenschaft, daß die
Mitten zwischen den beiden
Dichtewerten für die ver-
schiedenen Temperaturen alle
in einer Geraden m,m,mz
liegen. Man hat also nur für einige Temperaturen die beiden Dichten
zu bestimmen, um die Richtung der Geraden festzulegen, und dann
Cig. 13.