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angewendet, nämlich die Ersetzung der strengen Symmetrie durch das
xünstlerische Gleichgewicht nicht gleichartiger Teile. ;
Auch in der häufigen Anwendung des schlichten, ruhigen Sattel-
daches spricht sich. der Sinn für malerische Gesamtanordnung aus.
Solch einfaches Satteldach mit Treppengiebel oder ein Walmdach bietet
an sich schon einen fesselnden Anblick durch die freie Linienführung.
Dazu kommt dann die Belebung der Fläche durch die kleineren Dach-
aufbauten, vom schlichten, oft reihenweise auftretenden Dachfenster
beginnend, dem vieleckige, oft mit hochaufsteigendem Helm gekrönte
Erker an den Ecken oder auf den Flächen folgen. Dann setzen sich
in Hauptgesimshöhe oft Querdächer auf, deren Vorderseite als Giebel
oder Walm auftritt und die auch oft noch durch Unterbauten als
sogenannte Zwerghäuser das Hauptgesims um 1—2 Stock überragen.
Auch ein spitz aufsteigender Dachreiter vermag für sich allein schon
dem einfachsten Dache frisches: Leben zu geben. (Dachausbildungen
siehe Teil II). Niemals wieder sind so groise Mittel auf die Gesamt-
anlage der Bauten verwendet, hohe Dächer mit so grofsen Kosten auf-
geführt, Dachaufbauten aufgesetzt und Turmbauten angefügt worden,
nur um der Gesamtanlage, dem Umrifs des Baues höhere Wirkung zu
verleihen.
Diesen Meistern war es in stiller Hingebung an ihre Kunst ver-
gönnt, das zu formen, was uns mit dem lauten Schreien und oft
sonderbaren Anstrengungen zum Erringen des „neuen Stils“ noch nicht
gelungen ist, nämlich die Bildung einer volkstümlichen, in ihrer Eigenart
geschlossenen, innerlich deutschen Kunst. Um diese zu erreichen,
liegt es wohl für uns nahe, dafs wir uns erst mit den aus der Gemüts-
‚ülle unserer Vorfahren geschaffenen Werken aufs innigste vertraut
machen müssen, ehe wir hoffen ‚dürfen, unser ganzes Leben mit
schlichter, wahrer Kunst zu durchdringen, was unsere Vorfahren in so
unübertrefflicher Weise verstanden haben und wonach ja heute alles
Streben und Sehnen geht.
Schlufswort.