Allgemeines.
In den Werken der Baukunst findet neben der wissenschaftlichen
und aus dem Gefühl entsprungenen ganz besonders auch eine konstruktive
Begründung aller Formen statt, wobei die guten Verhältnisse zwischen
den einzelnen. Teilen wie auch dieser zum ganzen Bauwerke stets im
Auge zu halten sind, um ein harmonisches Ganze hervorzubringen. Die
Architektur eines Bauwerkes, bei dem alle diese Anforderungen erfüllt
sind, ist „von guten Verhältnissen“. Neben diesen ist bei der Architektur
eines Gebäudes auch besonders darauf zu sehen, dafs bei dem
Dekorationswesen nichts überflüssig und nur äufserlich anhängend, als
Luxuszutat erscheint, was besonders leicht bei Anwendung von Ornamenten
der Fall ist; sondern dafs alles in dem betreffenden Falle durch eine
gewisse Notwendigkeit entspringt und begründet ist und einen untrenn-
baren Bestandteil des Ganzen bildet. Um hierbei immer das richtige
Mais zu halten, gibt es keine bessere Regel als den Ausspruch Vitruvs:
„nichts zu tun, wovon man sich durch Gründe keine Rechen-
schaft geben kann“. Bei strenger Beobachtung dieser sehr richtigen,
goldenen Regel kann an Stelle der oft überladenen Architekturen
unserer Zeit wieder eine gesündere Bauweise treten, wo Eigensinn
und Willkür dann nicht mehr zu Miisbräuchen führen.
Besondere Aufmerksamkeit ist auf die Wahl des Stiles und möglichst
echten Materials zu richten, sowie auf ein angemessenes Verhältnis des
Äufseren eines Gebäudes zu seinen Bewohnern. Städtische Gebäude
— eingebaute Wohnhäuser sowohl, wie freistehende Monumentalbauten —
werden fast immer aus Stein, mit strengem Grundriis und Stil, oft
auch mit Verwendung von Eisen im Erdgeschofs, besonders bei Läden,
und nur in steinarmen Gegenden mit Verwendung von Holz in den
Fassaden ‘erbaut; ländliche Wohnhäuser hingegen werden am besten
im freien malerischen Stil, oft im Fachwerk, wenigstens die oberen
Geschosse derselben ausgeführt, was bei richtiger Anwendung solchen
Gebäuden einen eigenen, unvergleichlichen Reiz verleiht. Strenge
Architektur ist hier möglichst zu vermeiden und nur durch angemessene
Gruppierung und Situierung des Gebäudes, durch breite, liegende
Verhältnisse, nicht gewöhnliche, aber ungesuchte Dachbildung, sowie
durch Sehenlassen der‘ Konstruktion und des farbigen Materials eine
interessante Baugruppe anzustreben. Städtische Architekturformen
und die vom Palastbau herrührenden architektonischen Gliederungen