Allgemeines.
Dem Steinbau als romanischem Eindringlinge steht in Deutschland
der Holz- und Fachwerkbau als altgermanische Bauweise gegenüber.
Der römische Geschichtsschreiber Tacitus (geb. 55 n. Chr.) beschreibt
das deutsche Haus jener Zeit als ein Holzhaus, dessen Gefache mit
Geäst, Flechtwerk und Lehm oder Steinen ausgefüllt waren. Die alten
Germanen wohnten abgeschieden von einander in ihren Wäldern; ihre
Wohnungen waren durch eine Quelle, ein Feld oder einen Hain, der
ihnen gefiel, bestimmt. Das altgermanische Wohnhaus war im Grund-
risse rechteckig oder quadratisch aufs einfachste, ohne Fenster zwischen
vier Eckpfählen hergestellt, wie Urnen zeigen, die in Gestalt von Häusern
in vorgeschichtlichen Gräbern gefunden werden. Doch haben die alten
Germanen auch die Rundform für Hütten aus Holzstämmen und für
leichte Bauwerke auf ihren Wanderungen und im Kriegsleben verwendet
(Abbildungen auf der Säule des Marc Aurel in Rom) und zwar als
Stroh- und Reisighütten, deren zeltartige Form noch bis heute in der
deutschen Forst- und Köhlerhütte erhalten ist. Ferner finden wir in
der Lüneburger Heide als Schafställe Bauwerke, die äufserlich auch
den Zusammenhang mit dem primitiven Wohnhause unserer Vorfahren
verraten, Es sind eigentlich nur auf den tragenden Erdboden gestellte
Dächer mit dem Eingang im Giebel. Merkwürdigerweise zeigen sie
schon den abgewalmten Giebel und das breite, hohe Einfahrtstor. (Siehe
Skizze S. 2.)
Das altgermanische Wohnhaus war ein Einheitshaus, d. h. Tier und
Mensch lebten unter einem Dache. Der Kern des alten deutschen
Bauernhauses hat sich noch im hohen Norden, in Skandinavien, als
selbständige Bauform erhalten, wie ihn auch die in abgelegenen armen
Hartmann, Formenlehre der Renaissance, II.