Allgemeines.
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Die eigentliche Blütezeit des deutschen Holzbaues war aber nicht
das Mittelalter, sondern die Renaissancezeit (1559—1650), und zwar hat
sich die deutsche Holzbaukunst selbständiger und eigenartiger entwickelt
als die Steinbaukunst. Ihr Gebiet war hauptsächlich das deutsche Bürger-
haus in Stadt und Land, an dem die sichtbare Holzkonstruktion dem
irischen Zuge der Formenfreudigkeit ein weites Feld der Betätigung bot.
Der Fachwerkbau in Deutschland zerfällt in zwei vollständig
getrennte Abteilungen, in die niederdeutsche, deren Hauptentwickelung
in der Harzgegend, und in die ober-
deutsche, deren Hauptentwickelung
in Franken, Thüringen, Schwaben,
dem Mittelrhein, sowie im Mosel-
und Lahntal liegt. Die reichere,
folgerichtigere, auf dem niedersäch-
sischen Bauernhaus sich aufbauende
Entwickelung hat die niederdeutsche
Holzbaukunst aufzuweisen. Dabei
ist hier die Dekoration in der zweiten
Hälfte des 16. Jahrhunderts am fein-
sten und schönsten durchgeführt.
Aus diesen Gründen ist der nieder-
deutsche Holzbau für die Kunst-
geschichte entschieden der wichtigere
Teil, für unsere jetzige Wieder-
belebung des Fachwerkbaues ist es
hingegen der oberdeutsche, beson-
ders der in Dörfern und Landstädt-
chen auftretende schlichte und doch
geschmackvolle Fachwerkbau, der oft mit bescheidener Malerei gezierte
Putzflächen zeigt. Auch eignet sich gerade diese freie Art der Fach-
werkbildung am besten für kleinere Aufgaben von malerischer Gesamt-
anordnung.
Die niedersächsischen Bauten zeichnen sich besonders durch weit
vorgekragte Obergeschosse (Ausschüsse) aus. Die oft reich ver-
zierten Balkenköpfe sind dabei häufig durch als Renaissancekonsole
geformte Kopfbänder unterstützt, wobei die sogenannte Schiffskehle