Full text: Fachbildung, Fachtüchtigkeit und jugendliche Lebensweise

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und soldatischer Teilnehmer und Beobachter der 70er Feldzüge, wohl wider- 
spruchslos, ohne in die Strategie eingeweiht zu sein, als sicher voraussetzen 
dürfen, dass nämlich der berühmte Leiter unserer letzten Kriege ein Mann 
von umfassenden Kenntnissen, solid gewissenhaftem Charakter, viel Fleiss und 
Eifer gewesen, und dass er diesen Eigenschaften seine Erfolge zu verdanken 
gehabt habe. Aus diesen Gründen sind auch Hinweisungen auf anscheinend 
kleinliche Umstände der Lebensweise, namentlich auch schon der jugendlichen, 
in diesem Falle von entscheidender Bedeutung.  
Nach dem vorhandenen biographischen Material, besonders den eignen 
Briefen und Aufzeichnungen stehen mancherlei unser Thema interessierende 
Einzelheiten über allen Zweifel erhaben fest. 
Man ist sonst nicht gewöhnt, bei militärischen Grössen auch noch nach 
etwas anderem als unmittelbar nach strategischen Leistungen oder Helden- 
thaten zu fragen; am seltensten setzt man bei ihnen eine Lebensführung 
voraus, die einem kritisch unparteiischen Urteil in jeder Beziehung standhalte, 
geschweige denn den moralischen Durchschnitt eines Offiziersdaseins hoch- 
bedeutend überrage und demgemäss als Muster für den ganzen Stand gelten 
könne. Bei Moltke findet sich nun in wesentlichen Beziehungen die frag- 
liche Mustergültigkeit, denn er ist handgreiflich ein Beispiel für strenge 
Enthaltung von Ausschreitungen seines Standes und für den innigen Zu- 
sammenhang jugendlich solider Lebensweise mit Berufstüchtigkeit. Die Ver- 
teidiger einer gewissermassen lockeren Lebensart, als angeblich unentbehr- 
lichen Zubehörs zur militärischen Dienstthätigkeit, dürften angesichts einer 
solchen idealen Gegeninstanz mit ihren Argumenten wenig ausrichten. 
Nach seinen eigenen Worten hat Moltke eine „freudlose“ Knabenzeit 
gehabt und sich schon von früher Jugend an an Entbehrungen aller Art 
gewöhnen müssen. Als junger Offizier zum Besuch der Kriegsschule in 
Berlin kommandiert, war er, wie er selbst erzählt, infolge der durch Krieg 
und Unglücksfälle eingetretenen Mittellosigkeit der Eltern auf seine geringe 
Gage angewiesen, von der er dennoch einen Teil zum Erwerben von Sprach- 
kenntnissen erübrigte. Wie hart seine Entbehrungen manchmal gewesen sein 
müssen, kann man aus seinen gelegentlichen Äusserungen in späteren Jahren 
entnehmen. „Ich habe in meiner Jugend mich so an den Hunger gewöhnt, 
dass ich ihn jetzt nicht bemerke,“ pflegte der Achtziger zu sagen, wenn er 
im Park von Creisau bei voller Gartenarbeit die Mittagszeit versäumt hatte. 
Seine Kleidung war während seines ganzen Lebens die allerbescheidenste; er 
soll auch später, als er sich schon in bessern Verhältnissen befand und bei 
den Türken auf deren Kriegsschauplätzen amtlich mitagierte, nie mehr als 
zwei Anzüge gehabt und diese immer bis zur äussersten Grenze des Möglichen 
getragen haben. 
Im Hinblick auf das ungeregelte und oft recht missgeartete Leben in 
den entsprechenden Kreisen, wie es sich gelegentlich vor aller Welt unfrei- 
willig enthüllt, durfte es sich Moltke noch in den letzten Jahren seines Lebens, 
also in den Neunzigern, allerdings als eine besondere Art Ruhm anrechnen, 
dass er einen Sommerpaletot besass, den er sich im Jahre 1857 hatte machen 
lassen und der, obwohl mehr als „schier dreissig Jahre alt“, noch immer so 
gut wie neu war; er soll bei Erwähnung dieser Thatsache besonders auf das 
seidene Futter des Paletots als einen Ausnahmeluxus hingewiesen haben, 
der ihm später nie wieder in den Sinn gekommen wäre. Selbst als er schon 
General geworden war, soll er auf seinen Privatreisen weder Diener noch 
irgend welches Gepäck mit sich geführt haben; er wünschte weder sich noch 
sonst jemanden damit zu genieren, und das, was er auf dem Leibe trug, war
	        
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