Full text: Fachbildung, Fachtüchtigkeit und jugendliche Lebensweise

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Gegenseitigkeit beruhenden Lebens- und Feuerversicherungsbanken in Gotha, 
der ersten derartigen Institute in Deutschland. 
Die Lebensführung solcher hervorragender Kaufleute pflegt sich in den 
jüngeren Jahren nicht wesentlich von dem durchschnittlichen Verhalten des 
besseren Teils der jungen Kaufmannswelt zu unterscheiden, wie dies that- 
sächlich auch bei Arnoldi der Fall war. In der Regel ist der junge Kauf- 
mann erfahrungsgemäss eher und besser als der Student und junge Offizier 
im stande, seine ökonomischen und verwandte Angelegenheiten wahrzunehmen, 
Angelegenheiten, die er natürlich im Sinne gleichsam geschäftlicher und 
nüchterner Lebensführung verstanden wissen will. An Stelle von Phantasie- 
ausschreitungen und Extravaganzen nach studentischer und feudaler Art tritt 
hier eine verständige Geschäftlichkeit und Gesetztheit. Es unterliegt demnach 
keinem Zweifel, dass relativ und aus einem gewissen Gesichtspunkt in dem 
Handelsstande, wie überhaupt in den erwerbenden, aber nicht in den nach 
feudaler Art verbrauchenden Klassen, die bessere, d. h. zweckmässigere Lebens- 
weise zu finden ist. Gegen die allzu Geniallebenden wird man nach kühler 
Abwägung aller gegenseitigen Vor- und Nachteile doch schliesslich geneigt 
sein, eine Lanze für die sogenannten Philister einzulegen; denn Solidität, die, 
wenn ohne Pedanterie ausgeübt, mit etwas jugendlichem Ausleben doch wohl 
vereinbar sein dürfte, ist immer noch die zuverlässigste Grundlage für alle 
theoretische und praktische Berufstüchtigkeit gewesen und wird es stets bleiben. 
Hiermit ist denn auch auf die Specialfrage unseres Thema nach der 
besten Lebensweise des jungen Kaufmanns während seiner akademischen 
Studienzeit die Antwort im allgemeinen schon gegeben; wir bedürfen jedoch 
zu deren weiterer Begründung noch einiger Exemplifikationen, 
Dem grossen Beispiele Moltkes, des Vollführers von etwas Geschichte, 
lässt sich das eines Schreibers und Kritikers von etwas Geschichte anreihen, 
der uns zugleich als Handelspraktiker näher steht. 
Georg Niebuhr, der berühmte deutsche Kritiker römischer Vorgeschichte, 
ist für unsern Gegenstand deshalb von besonderem Interesse, weil er zugleich 
dem Handelsfach angehörte und in der Forschung etwas geleistet, er also 
den Standpunkt des Kaufmanns mit dem des Gelehrten in sich vereinigt hat. 
Als Sohn eines durch die Beschreibung seiner langjährigen Reisen in 
Arabien bekannt gewordenen dänischen Staatsbeamten hatte Georg Niebuhr 
nach Abschluss seiner Gymnasialbildung im 17. Lebensjahre auf Wunsch 
seines Vaters sich nach Hamburg zu dem schon eingangs erwähnten Büsch, 
dem Vorsteher der Handelsakademie, begeben, um sich dort fremde Sprachen, 
Umgangsformen und Menschenkenntnis anzueignen. Aber schon im nächsten 
Jahre, 1794, sehen wir ihn auf der Universität Kiel Jura und Philosophie 
studieren, und zwei Jahre später finden wir ihn in Kopenhagen als Privat- 
sekretär eines dänischen Finanzministers. Nach weiteren zwei Jahren begiebt 
er sich zur Fortsetzung seiner Studien nach London und Edinburgh und wird 
mit dem 24. Lebensjahre dänischer Staatsbeamter, nach weiteren vier Jahren 
Bankdirektor in Kopenhagen und dann im Laufe der darauffolgenden sieb- 
zehn Jahre nacheinander Mitdirektor der preussischen Seehandlung, Beamter 
des preussischen Finanzministeriums, Universitätslehrer, preussischer Gesandter 
am päpstlichen Hofe in Rom und endlich Geschichtsprofessor in Bonn: er 
starb 1831 im 55. Lebensjahre. 
Dieser ungewöhnlichen, an Berufsänderungen so reichen Laufbahn ent- 
sprach auch eine seltene Vielseitigkeit des Niebuhrschen Geistes, die sich 
schon während der Studienjahre bemerkbar machte. 
Der, man könnte fast sagen, nomadisch Studierende, der spätere Bank-
	        
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