Full text: Fachbildung, Fachtüchtigkeit und jugendliche Lebensweise

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er seinem Vater melden, er habe die grosse Freude, dass die von ihm ent- 
worfene Verordnung über die Tresorscheine (Verkleinerung der Appoints, 
Aufnahme der Einlösung für die allerkleinsten) einen äusserst günstigen Ein- 
druck gemacht habe. Sie hätten sich bereits auf 80 gehoben (sie waren bis 
auf 32 gefallen) und würden in zwei bis drei Monaten nahe an pari sein. 
Diese Veränderung, welche dem Lande ein Paar Millionen Courant mehr 
gebe, werde durch eine verhältnismässig sehr geringe Anstrengung bewirkt; 
auch hoffe er, dass die Zinszahlung von den Staatspapieren, ohne die Lasten 
des Volkes zu erschweren, werde erfolgen können. Seine Erwartung, dass, 
sobald er mit der Regulierung der Staatsschuld betraut wäre, die Königs- 
berger Obligationen steigen würden, habe ihn nicht getäuscht, sie seien in 
der That von 64 auf 72 gestiegen. Dies Volksvertrauen sei ihm die 
schmeichelndste Auszeichnung; durch Popularität lasse sich unglaublich viel 
in den Finanzen ausrichten. Er hoffe, dass niemand in seinen Äusserungen 
Ruhmredigkeit oder ein Grossthun mit Taschenspielerkünsten zu sehen glauben 
werde. Es sei ein wohlthätiges Bewusstsein, Not zu lindern, Gutes zu stiften 
und Böses zu verhindern. Er habe mit Geldern, die in seiner Kasse sonst 
fruchtlos gelegen haben würden, eine Spekulation für seine armen Ermeländer 
gemacht, die hoffentlich über 12000 Thlr. einbringen würde. „Die sollen 
manches Herz zum erstenmal seit drei Jahren wieder erfreuen.“ 
So verlor Niebuhr trotz seines lebendigen Verständnisses und Interesses 
für die materiellste aller Materie — für Geld und Finanzen — die edlere 
und höhere Seite seines Berufs nicht aus dem Auge. Er war im gewissen 
Sinne Idealist, aber ein solcher, der dabei nicht ins Unpraktische verfiel; im 
Gegenteil war er sich seiner gewiegten und durchaus praktischen Kenner- 
schaft auf finanziellem Gebiet sogar derart bewusst, dass ihm unter allen be- 
kannten Finanzmännern nur sehr wenige als solche erschienen, die etwas 
mehr als Pfuscher darin wären. 
Im übrigen hatte er vom Handel selbst eine gar hohe Meinung: „Ein 
so vorgerückter und verwickelter gesellschaftlicher Zustand wie der, worin 
wir leben, kann nur durch gegenseitige Verbindungen auch der entferntesten 
Völker erhalten werden, und die Entziehung des Handels muss den Einsturz 
des Ganzen verursachen, wie die Untergrabung einer Grundsäule — auch 
hat der Handel das Wohlthätige und Menschliche in sich, dass der Wohl- 
stand jedes Volks der Vorteil von jedem ist, welches mit ihm in Beziehung 
steht.“ (Brief an die Hensler vom 27. Januar 1810). 
Eine Würdigung Niebuhrs nach der deutschnationalen Seite hin würde 
zu weit abseits führen, doch mag der Vollständigkeit wegen bemerkt sein, 
dass er nach den kaum beendeten Freiheitskriegen einer der Ersten war, der 
im Geiste schon die Kleinstaaterei vor dem emporstrebenden preussischen 
Staate allmählich verschwinden sah. 
Dank seiner ausserordentlichen geistigen Vielseitigkeit konnte Niebuhr 
auf zwei, an sich und ihrer innern Natur nach radikal verschiedenen Ge- 
dieten Hervorragendes leisten. Dem Historiker kam sein eminentes Ge- 
dächtnis, vollendete Klarheit der Anschauung und eine seltene Kombinations- 
gabe zu statten, dem Geschäfts- und Finanzmann die Schärfe des Verstandes, 
die Richtigkeit und Schnelle des Urteils. Mit diesen intellektuellen Fähig- 
keiten musste sich aber ein rechtschaffener, wahrheitliebender und solider 
Charakter verbinden. Fleiss, Ausdauer und Bescheidenheit in den Lebens- 
ansprüchen bildeten, wie überall so auch hier, die fruchtbaren Bestandteile 
des Bodens für die gedeihliche Entwickelung aller Anlagen. Daher auch 
die bedeutenden Erfolge auf beiden Gebieten. Ohne diesen vesetzten Charakter
	        
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