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aber hätten die Fähigkeiten Niebuhrs leicht in verderbliche Richtungen aus-
greifen und damit zugleich Lust und Kraft zur ernsten Arbeit untergraben
können. —
Das Beispiel Georg Niebuhrs weckt unwillkürlich die Erinnerung an
einen englischen Bankier und Gelehrten, der auch Geschichtsschreiber eines
antiken Volkes, nämlich der Griechen, war und überdies ein Stück griechischer
Philosophie, namentlich des platonischen Sokratisierens dargestellt hat, an
Georg Grote. Dieser zweite, jüngere Georg kann, wie bisweilen aus Urteilen
über Grote, namentlich dem Dühringschen (Kritische Geschichte der Philo-
sophie, Altertum 4. Aufl. 1894 Leipzig) ersichtlich ist, dem ersten nicht auf
gleicher Linie an die Seite gestellt werden und kommt nur als unwillkür-
liches Memento in Frage. Das von Grotes Frau gelieferte biographische
Material über ihn ergiebt, wenn auch keine studentischen Ausschreitungen,
doch nichts für die Jugendzeit sonderlich Eigentümliches. Seine Vorliebe für
wissenschaftliche Studien; namentlich nationalökonomische und historische, die
sich neben seiner geschäftlichen Thätigkeit schon frühzeitig geltend machte,
wäre allenfalls zur Kennzeichnung seiner Anlagen erwähnenswert. Ich habe
in meiner Schrift: „Wie erwirbt sich selbstthätig auf dem kürzesten Wege
der junge Kaufmann eine echte, abgeschlossene, allgemeine Bildung?“
(2. Aufl. 1894, Zittau) auf Grotes historische Leistungen bereits hingewiesen
und glaube es hier so ziemlich bei diesem Citat bewenden lassen zu können.
Höchstens wäre über die Folie für Niebuhr, die in Grotes zwar berühmter
aber weniger originaler Haltung gegeben ist, vielleicht noch ein Wort am
Platze, Grotes Denkweise ist nämlich weniger ideal als die Niebuhrs, trotz
aller Liebhaberei für platonisches Philosophieren. Die englische Art von
Geschäftlichkeit, und zwar obenein die sich liberal dünkende, hat sich in
Grote beispielsweise soweit verstiegen, gegen Sokrates Partei zu nehmen
(Dühring, Krit. Geschichte d. Philosophie S. 77) und es auszusprechen, in
unseren Zeiten, versteht sich im freien England, würde man den Denker
nicht so lange unbehelligt haben agieren lassen, als in Athen, wo man ihm
bekanntlich erst im hohen Greisenalter den Giftbecher reichte.
Wie also das Sichliberaldünkende im Gegensatz zum Konservativen
nicht immer und in jeder Beziehung das Mass für wahrhaft liberale und
gediegene Leistung zu sein braucht, so ist auch ein Anschein von geistigem
Radikalismus bisweilen am allerwenigsten der Bürge von höchster Solidität.
Da mit Grote nun auch etwas Philosophisches berührt ist, so mag auch
dieses Gebiet aus dem Gesichtspunkt des Thema insoweit gestreift werden,
als sich in dem berühmten Religionsphilosophen Ludwig Feuerbach eine
negative Instanz für die Folgen jugendlicher Lebensweise und Wirtschaft
darbietet. Als dieser Sohn des bedeutenden bayerischen Kriminalisten Anselm
v. Feuerbach während seiner Berliner Studentenzeit von der Theologie zur
Hegelogie überging, wirtschaftete er auch materiell seinem Vater, der gegen
das Verlassen der Theologie eingenommen war, nicht gar genehm. „Was
nun Deine Geldangelegenheiten betrifft“, schreibt dieser an seinen Sohn
Ludwig im April 1825, „so scheint es mir, dass es etwas konfus damit aussehen
muss, weil Du Dich genötigt gesehen hast, kurz nach dem empfangenen
letzten Wechsel, bei A. 40 Thlr. aufzunehmen. Ich erkläre Dir kurzweg,
und auf das allerfeierlichste, dass Du (wenn Du nicht dem A. die geliehenen
40 Thlr. etwa zurückzahlst, sondern ich selbst sie zurückzahlen soll) ausser
den im Wechsel hierbei folgenden 400 Fl. (deren Empfang zu melden ist)
in diesem selben Jahre keinen Kreuzer mehr erhältst. Der brave Eduard
hat anders hauszuhalten gewusst.“ Ungeachtet eines beträchtlichen „Wechsels“