Full text: Fachbildung, Fachtüchtigkeit und jugendliche Lebensweise

Zwar ist mancherlei aus dem Bereich studentischer Lebensweise von jungen 
Leuten verschiedener Berufsklassen von jeher gelegentlich nachgeahmt worden; 
doch wurden derartige Erscheinungen meist als jugendliche Verirrungen 
erkannt und können sicherlich nicht als etwas angesehen werden, was etwa 
den vorhin erwähnten Gegensatz mildern oder gar aufheben möchte. Die 
specielle Frage, wie sich der theoretische Fachstudien treibende junge Kauf- 
mann zu der studentischen Lebensweise zu stellen habe, ist daher eine wohl- 
berechtigte, ja angesichts der sich mehrenden Handelshochschulgründungen 
sogar eine recht akute und brennende geworden. 
Nun ist das Für oder vielmehr das Wider gegenüber der studentischen 
Lebensart gerade von einer dem Handelsstande nahestehenden, höchst beachtens- 
werten Seite bereits im vorigen Jahrhundert in ernste Erwägung gezogen 
worden; denn schon Büsch, der Mitbegründer und Leiter der ersten Handels- 
akademie in Deutschland, hat seine Erfahrungen darüber in umständlicher 
Weise mitgeteilt und dabei unverhohlen seine Antipathie gegen die akademische 
Lebensweise zum Ausdruck gebracht. Das Jahrhundertsgedenkjahr seines 
Todes mahnt an diesen Standpunkt, und wir werden im Laufe unserer Unter- 
suchungen einige Worte mehr zu der Stellungnahme eines so berühmten 
Handelsschulmannes zu sagen haben. 
Jedoch ist die akademische Lebensweise hier keineswegs allein in Frage, 
wenn anders der bedeutsame Gegenstand nicht zu einer vereinzelten Standes- 
oder gar lokalen Angelegenheit herabgedrückt werden soll. Auch jeder 
andere Stand in jeglichen Landen hat seine eigentümliche Lebensart, deren 
Vorzüge und Nachteile nicht minder Beachtung verdienen und kritische 
Urteile sowie Vergleichungen herausfordern. Das studentische "Treiben mit 
seinen gelegentlichen, in besonderen Kreisen sogar commentmässigen Aus- 
schreitungen dokumentiert beispielsweise einen Standesgeist, welcher demjenigen 
der feudalen Elemente entstammt, ohne jedoch deswegen mit den heutigen 
Gestaltungen des Offizierlebens irgend zusammenzufallen. Beide Verhaltungs- 
arten aber kontrastieren mit den Gewohnheiten der Jugend der erwerbenden 
Klassen, namentlich der Kaufleute. Es waltet hier offenbar ein Ständegegensatz 
ob, der die Frage nahelegt, wo man das Bessere zu suchen habe, oder wenigstens 
welche Züge an den betreffenden Arten von Lebensweise gediegener Pflicht- 
erfüllung und soliden, späteren Leistungen nachteilig werden oder Vor- 
schub leisten. 
In der öffentlichen Meinung gilt die studentische Lebensweise als die 
am wenigsten beengte. In Wirklichkeit aber ist ein erheblicher Teil der viel- 
gepriesenen akademischen Freiheit doch wohl oft mehr Schein als Realität. 
Ursprünglich waren allerdings die Universitäten freie Vereinigungen und 
Körperschaften der Studierenden, aus deren Mitte auch der Rektor gewählt 
wurde. Leiter und Professoren waren Beamte der Studentenschaft, und 
die im 12. Jahrhundert gegründete Universität Bologna war nach diesen 
Principien eingerichtet. Doch schon die etwa um dieselbe Zeit entstandene 
Pariser Universität stellte den entgegengesetzten Typus dar, den nach Mass- 
gabe der theologischen Fakultäten; denn hier wurden die Studierenden 
abhängige Schüler der Lehrerschaft. Savigny setzt in seiner mittelalterlichen 
Rechtsgeschichte den entsprechenden Gegensatz auseinander. Das wurde nun 
freilich in Deutschland nicht so ganz vorbildlich, da dort die juristischen 
Fakultäten mit ihrer freieren Verfassung zunächst massgebend blieben. Wen 
heute jene Zustände befremden, dass nämlich eine studentische Körperschaft 
die eigentliche Herrin und sozusagen Souveränin der Universität sein konnte, 
der möge bedenken. dass damals, beispielsweise von Deutschland, Männer in
	        
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