den Vierzigern über die Alpen und nach Italien gingen, um dort als Studenten
von dem sich neu regenden Wissen etwas zu erhaschen und heimzubringen.
Wo die Studenten aber zu den jüngeren gehörten, waren es wenigstens vor-
nehme, nicht junge sondern eben nur jüngere Herren, denen es sonderbar
angekommen wäre, sich ihre Feudalrechte und gleichsam ihr Feudalbewusst-
sein von professoralen Behörden und staatlichen Instanzen abfordern zu lassen
und anders als auf einige Privilegien d. h. Freibriefe hin zu existieren. Das
moderne Staatsbewusstsein wird demgemäss hiervon nicht ohne Grund seltsam
angemutet. Auch versteht es sich von selbst, dass, wo blutjunge Leute oder
wenigstens solche unterhalb der politischen Wahlmündigkeit zu studieren
haben, die Dinge sich naturgemäss doch immerhin etwas anders gestalten
müssen. Dies, wenn auch noch einiges mehr dazu, hat denn auch der Ent-
wickelungsgang in der Richtung auf die modernen Zustände sattsam gezeigt.
In dieser Richtung, und demgemäss auf steigende Kontrolle, arbeitete denn
auch der sich allmählich modernisierende Staat. Übrig ist daher von jener körper-
schaftlichen Studentenselbständigkeit nicht allzuviel, ja von der ursprünglichen
Studenten-Selbstregierung und studentischen Anstellung der Professoren gar
nichts. Die heutigen einzigen Freiheiten, durch welche sich der Studierende
vom Gymnasiasten äusserlich unterscheidet, sind der Wegfall eines gymnasialen
Zwanges, beim Unterricht zu erscheinen, und die den Studierenden zustehende
Auswahl der Professoren, bei denen sie hören wollen. Dazu kommt nebenbei
noch die Unmöglichkeit, ausserhalb der sogenannten Seminarien, also während
der Vorlesungen zu schülermässigen Äusserungen über angeeignete Kenntnisse
und zu Übungen veranlasst zu werden. Das letztere negative Privilegium
besteht aber für die seminaristische Thätigkeit auch nicht mehr, an der die
Beteiligung allerdings freiwillig ist und für das Gros der Studenten überhaupt
nicht in Frage kommt, wohl aber indirekt und thatsächlich obligatorisch für
alle diejenigen wird, die beispielsweise im Bereich höherer Lehrfunktionen
befördert sein wollen.
Auch im Juristischen Sinne ist den Studierenden die ursprüngliche aka-
demische Freiheit verloren gegangen. Die Universitäten waren im Anfange
autonome Körperschaften mit eigner Jurisdiktion über ihre Angehörigen, und
darin bestand rechtsbezüglich die akademische Freiheit. Doch im Laufe der
Entwickelung wurden sie immer mehr von den partikularen Landesherren
abhängig, und wenn sie auch noch ihre Gerichtsbarkeit ausübten, so blieb
der Landesherr dabei doch oberste Instanz. Heute ist auch dieser Halb- und
Zwischenzustand beseitigt, indem die Studenten in allen bürgerlichen Rechts-
streitigkeiten den ordentlichen Gerichten unterstehen, und auch die Polizei in
ihren Befugnissen dem Studenten gegenüber nicht mehr beschränkt ist; nur
die akademische Disciplinargewalt ist der Universität verblieben, so dass der
Student heute, wie jeder Beamte, unter einer doppelten Gerichtsbarkeit steht,
unter der allgemein staatlichen und der von der Universität ausgeübten
disciplinarischen.
Trotz dieser erheblichen Einschränkung der akademisch privilegierten
Freiheit ist immerhin ein, namentlich den anderen beiden Ständen gegenüber
ansehnlich erscheinendes Stück gesellschaftlich freier Bewegungsmöglichkeit
auch heute noch vorhanden. Der Student befindet sich der Welt gegenüber
in einem sozusagen ungebundenen Zustande. Der ängstlichen Sorge um
Berücksichtigung konventioneller Formen kann er sich entschlagen, da die
Welt auch auf ihn vorläufig noch keine Rücksicht nimmt. Ohne eigentlichen
aktuellen Beruf, ist er weder dem Staat noch der Gesellschaft zu irgend
einer unmittelbaren Leistung verpflichtet: er bereitet sich erst auf die Periode