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worten, aber mit einem Nein, welches in einem ganz andern als
dem gewöhnlichen Sinne des philiströsen Absprechens verstanden
sein will. Die Frauen sind für das heutige gelehrte Studium, wie
es thatsächlich ist, allerdings nicht recht befähigt, aber nur darum,
weil es ihnen, so lange sie auf ihrem natürlichen Wege freier und
zeitgemässer Bestrebungen bleiben, nicht in den Sinn kommen sollte,
sich die alte Zwangsjacke mittelalterlicher Hochschulung anlegen zu
lassen. Nicht sie sind für das Studium, sondern das Studium ist
für sie unzulänglich. Ihre Fähigkeiten sind nicht etwa zu schwach,
sondern im Gegentheil in ihrer natürlichen Unverschultheit zu stark,
um die alte Lehrmanier und deren trüben Schlendrian zu ertragen.
Das weibliche Geschlecht ist im Bereich der Wissenschaft und der
zugehörigen Berufe ein neues Element und muss unwillkürlich ver-
Jüngte Gebilde an die Stelle der altersschwachen Gattungen des
Gelehrsamkeitsbetriebs bringen. Es muss mit seinen noch unver-
schulten Fähigkeiten verhältnissmässig noch mehr leisten, als bei-
spielsweise im Gemeinleben eine jugendliche Colonialgesellschaft ver-
mag. Die letztere wird die Ueberlieferungen des Ursprungslandes
unter neuen und freieren Verhältnissen zu frischen und wesentlich
veränderten Gestaltungen ausbilden, aber dabei doch auch noch viel
Vorurtheile und Thorheiten in die neue Erde mitverpflanzen. Die
Ausmerzungen des chinesenhaft Verknöcherten werden sich zwar unter
den neuen Lebensbedingungen zum Theil von selbst machen; aber
dennoch ist diese Lage keine so günstige, wie diejenige der Frauen-
welt in dem vorliegenden Falle. Einer verrotteten Verbildungsart
gegenüber, deren üble Wirkungen im Praktischen immer greif barer
werden, hat das Weib, wo es den Boden der Wissenschaft und ihrer
Anwendungen betritt, nunmehr von Natur- und Geschichtswegen
den Beruf, die modernen Antriebe der Umschaffung der wissenschaft-
lichen Welt in sich aufzunehmen und an seinem Theil unter Wider-
stand gegen die verkehrten Zumuthungen durchzusetzen. Dieser
heilsame Widerstand wird ihm um so leichter werden, als es noch
mit keiner ihm vererbten Gelehrsamkeitsgewohnheit falscher Art be-
lastet ist und eben nur von den natürlichen Interessen des Wissens
und wissenschaftlich nützlichen Waltens bestimmt wird.
Ob die weibliche Körper- und Gehirnverfassung zu schöpfe-
rischen Leistungen höchster Art in den schwierigsten Wissensgebieten
befähige, ist für unsern praktischen Zweck eine müssige Frage, Da
aber die Verneinung derselben so oft als Einwand gegen die weib-
liche Betheiligung an gelehrten Berufsarten ausgespielt worden ist,