Full text: Der Weg zur höheren Berufsbildung der Frauen und die Lehrweise der Universitäten

so sei hier doch wenigstens darauf hingewiesen, wie das Genie oder, 
mit andern Worten, die etwas Neues schaffende Fähigkeit mit den 
gelehrten Hantirungen des Arztes oder Lehrers eben selbst nichts 
zu schaffen hat. Die paar Dutzende wahrhaft schaffender Naturen 
ersten Ranges, die in jeder Gattung die ganze Menschheitsgeschichte 
hindurch allenfalls zusammenzuzählen sind, hatten Eigenschaften, die 
man doch sicherlich nicht bei den Tausenden suchen wird, die eben 
nur mit hervorragenden Talenten thätig waren, und wiederum die 
wenn auch geringeren, so doch ausgezeichneten und werthvollen 
Vorzugskräfte dieser Tausende werden gleichgültig bleiben, wo es 
sich um das durchschnittliche Maass von Können und Wissen han- 
delt, welches  alltäglich zur gemeinen Ausfüllung eines Berufs ge- 
nügen muss. Der Durchschnittsarzt und der Durchschnittslehrer 
werden so ziemlich aus jedem Holze zu schnitzen sein, wenn nur 
die Schnitzmaschine ins Spiel gesetzt wird. Man muss von der 
wissenschaftlichen Formung der Menschen nur nicht zu hoch denken 
oder gar die Eitelkeit auf blosse Dressur unbesehen gelten lassen. 
Das Durchschnittserzeugniss ist, wie die Dinge heute stehen, nun 
einmal eine Waare, die sich in den gelehrten Fabriken stets fer- 
tigen lässt, wenn nur der gewöhnliche Rohstoff und die Bearbeitungs- 
kosten nicht fehlen. Dieser Rohstoff ist irgend ein lebendes Wesen 
von der Gattung Mensch, von irgend einer Race und irgend einem 
Stamm, wobei so gewaltige Unterschiede unterlaufen, dass es wohl 
die grösste aller Thorheiten sein würde, die Weiber nicht einmal 
als einen solchen Rohstoff  gelten lassen zu wollen. Wo die dick- 
sten Schädel und plattesten Köpfe noch immer gutgeheissenes Ma- 
serial bleiben dürfen, da sollten Frauen, weil sie eben weiblichen 
Geschlechts sind, ungeachtet einer oft unvergleichbaren Ueberlegen- 
heit ihres Verstandes als von der Natur ausgeschlossen gelten? 
An bedeutenden Leistungen in den schwierigsten Wissenschaf- 
ten hat es unter den Frauen nicht gefehlt. Um nur an das grösste 
Beispiel der letzten hundert Jahre zu erinnern, so überragte im Ge- 
biet der Mathematik Sophie Germain Schaaren von Professoren und 
Akademikern. Die hundertjährige Wiederkehr ihres Geburtsjahres 
(1776) erinnert, wenn auch freilich ganz geräuschlos und nur für den 
denkenden Geschichtsschreiber der Wissenschaft daran, was bisher das 
Loos solcher weiblichen Auszeichnungen gewesen ist. Sophie Germain 
hatte zwar die Anerkennung Lagranges, des grössten Mathematikers der 
letzten hundert Jahre für sich, von dem Beifall nicht zu reden, den 
sie von Seiten der Grössen zweiten Ranges, wie namentlich von
	        
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