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Lauf der Dinge anheimzugeben, da sich ja doch nichts machen
lasse, und zu der Frivolität der Wissenschaft oder vielmehr Un-
wissenheit die Frivolität des Lebens durch Benutzung der Annä-
herungen an die Weiber bei jeder günstigen Gelegenheit hinzuzu-
fügen. Denkt man auch überdies an die mannichfaltige Rolle der
ärztlichen Hauspriester, so wird man es nur um so mehr in der
Ordnung finden, dass die medicinischen Beichtväter der weiblichen
Bevölkerung doch wenigstens mit Beichtmüttern vertauscht werden,
wenn es auch überhaupt von einem modern freien Standpunkt aus
gar nicht angeht, eine Art ärztlicher Seelsorge, also irgend ein An-
streifen der durchsichtig und klar sein sollenden Heilpraxis an das
alte, dem Kindheitsstadium der Völker angehörige Heilpriesterthum
zu gestatten. Eben um die Aerzte zu nöthigen, aus dem Nebel-
reich, in welchem die Autorität ihres verschleierten Wissens oder
Wissenwollens so schön gedeiht, an das Licht hervorzutreten,
müssen ihnen Concurrentinnen beigegeben werden, die wenigstens
in einem Hauptpunkte keine Veranlassung zu Mystificationen haben.
Nach dem Vorangehenden würde den weiblichen Aerzten in
der natürlichsten Weise mehr als die Hälfte, ja vielleicht zwei
Drittel der ganzen Praxis gehören und mit der Zeit auch wirklich
zufallen. In feineren Specialitäten, wie z. B. in der Augenheilkunde,
würde aber jener Unterschied von geringerem Einfluss sein und
auch die gemischte, nicht nach Geschlechtern getrennte Behandlung
gelegentlich Platz greifen. Im Grossen und Ganzen würden sich
die Aussichten der Frauen nicht schlecht stellen; denn es würde
mindestens die eine Hälfte der Bevölkerung von ihren medicinischen
Leistungen Gebrauch machen. Ueberdies käme noch ein besonderer
socialökonomischer Vortheil von grosser Wichtigkeit hinzu. Medi-
cinischer Rath und thatsächliche Heilhülfe würden von Seiten der
Frauen nicht nur mit mehr Bekümmerung um das Einzelne und
daher in mehr praktischer Weise, sondern auch um einen billigeren
Preis zu haben sein. Zunächst ist unter den einmal gegebenen
Verhältnissen die weibliche Thätigkeit stets weniger kostbar als die
männliche; denn erstens sind die Herstellungskosten der weiblichen
Arbeitskraft von vornherein geringer, und zweitens ist die Lage der
weiblichen Bevölkerung in Rücksicht auf die Concurrenz vorerst
eine ungünstigere. Muss nun auch letzterer Uebelstand mit der
Zeit im Sinne der vollen Gleichheit verschwinden, so haben wir
doch zunächst mit den gegebenen Thatsachen zu rechnen und
müssen ihnen neben dem Schlimmen, das sie an sich tragen, auch