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wird auch die ärztliche Stellung in der Gesellschaft eine gesundere
werden; denn gegenwärtig krankt sie an einer schlecht mit der Ge-
werbefreiheit stimmenden Monopolsucht. Eine vielfach unter den
Aerzten verbreitete Ansicht ist ungefähr die, welche der vorher
genannte Professor in Rücksicht auf Reichthum und Heirathen mit
recht ungenirtem Vorwitz und unabsichtlicher Komik zum öffent-
lichen Besten verrathen hat. Aber dieses eheliche Auskunftsmittel
ist keine überall mögliche Gründungsmanipulation. Die Etablirung
des Arztes ist, wie dies in Grossstädten besonders sichtbar wird,
ein sehr gewagtes Geschäft, dessen bedeutendes Risico, wie die Dinge
einmal liegen, allerdings Capitalreserven verlangt und häufig genug
diese letzteren verzehrt, ohne zu einem nennenswerthen Ergebniss
zu führen. Es erklärt sich daher sehr wohl, wenn die Aerzte nach
Zwangs- und Bannrechten über das Publieum haschen und sich zu-
gleich von den Resten gesetzlicher Pflicht befreien lassen. Dieselben
Aerzte, die in den gesetzgeberischen Körperschaften dafür sorgten, dass
kein Verunglückter, der schleunigen Beistand braucht, auf ihre Hülfe
bei Tag oder Nacht das alte herkömmliche Recht behielte, vermöge
dessen der Doctor kommen und sich wohl auch aus dem Bett be-
mühen musste, wenn und wo er zu Hülfe gerufen war, — derlei
Aerzte, unter denen manche den ökonomischen Cynismus bis zur
Forderung der Vorausbezahlung und zur Versagung des Beistandes
an nicht sofort Zahlungsfähige treiben, — eben solche Aerzte sind
dem Publicum mit dem Impfzwang ins Geblüt gefahren, und man
kann nicht umhin, hierin eine ganz hübsche künstliche Erweiterung
der erzwungenen Nachfrage nach ihren Diensten zu sehen. Auch
die Hebammen sind ihnen als ausgedehnte Concurrentinnen in der
weiblichen Geburtshülfe nicht mehr recht, und allerdings würde es
eine erkleckliche neue Besteuerung des Publicums geben, wenn letz-
teres einmal nur die Wahl haben sollte, die theuren Preise für die
ärztliche Geburtshülfe zu bezahlen oder auf alle und jede Hülfe zu
verzichten. Die Preisentwürfe, welche die Aerzte der bisherigen
staatlichen Gebührentaxe untergeschoben wissen wollen, mögen zwar
ganz gut zu den Bedürfnissen des grossstädtischen ärztlichen Com-
forts passen, sind aber sehr wenig geeignet, die Kluft zwischen An-
gebot und Nachfrage nach solchen theuren Diensten zu vermindern.
Die wachsende Monopolsucht ist zum Theil eine Folge dieses Miss-
verhältnisses und steht daher nur scheinbar mit der Gewerbefreiheit
in Widerspruch. In Wahrheit befindet sich der Berufsstand der
Aerzte in einer ökonomischen und gesellschaftlichen Krisis, die von