Full text: Der Weg zur höheren Berufsbildung der Frauen und die Lehrweise der Universitäten

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ausübung und ihre freie ökonomische Anpassung an die Bedürfnisse 
der Gesellschaft hintertrieben werden. Es giebt also nur ein ein- 
ziges Mittel, die Herstellung des gestörten Gleichgewichts herbei- 
zuführen, und dies besteht darin, aus dem Halben etwas Ganzes zu 
machen und die Befähigungsbürgschaften, soweit deren die Gesell- 
schaft überhaupt noch in staatlicher Weise zu bedürfen glaubt, blos 
in der öffentlichen Bezeugung der nach natürlichen Grundsätzen für 
den praktischen Zweck erforderlichen Vorkenntnisse bestehen zu lassen. 
Hienach hätte man die Art, wie Jemand zu seinem Wissen und Kön- 
nen gelangt ist, nicht zu untersuchen, sondern nur sein fertiges Wissen 
und Können an sich selbst zu prüfen und zu veranschlagen. Auch 
der höhere und hohe Unterricht wäre hiemit frei, und es könnte 
sich Alles nach Maassgabe der lebendigen Bedürfnisse gestalten. 
Doch ich will hier diesen Ausblick nicht verfolgen. Ich habe auf 
den Mangel an Folgerichtigkeit und auf die entsprechenden Uebel- 
stände nur hingewiesen, um für das weibliche Geschlecht einen an- 
dern Weg der Ausbildung in Anspruch zu nehmen. 
Dieser leichtere, billigere und für die Hauptsache dennoch er- 
folgreichere Weg schneidet auch gänzlich einen beliebten Einwand 
ab, der aber auch sonst nicht viel zu bedeuten hätte. Die Aerzte 
sind häufig sehr zartfühlend für das weibliche Geschlecht und stellen 
sich äusserst besorgt an, dass die armen Frauen unter der Last 
einer so schwer erlernbaren und schwer auszuübenden Kunst zu- 
sammenbrechen möchten. Sie weisen auf die weibliche Körper- 
verfassung hin und geben sehr weise zu bedenken, dass die grossen 
Vorstudien und Studienthaten, in denen sie selbst mit ihren männ- 
lichen, von der Natur anderweitig weniger in Anspruch genommenen 
Kräften, fast aufgerieben worden wären, nichts für ein Geschlecht 
sein könnten, dem schon die Natur ganz andere erschöpfende Auf- 
gaben gestellt und allerlei zugehörige Störungen der normalen 
Leistungsfähigkeit aufgebürdet habe. Nun ist es allerdings eine 
Einrichtung zum Blasirtwerden, dass Jemand nach Abmachung des 
ersten Elementarunterrichts noch ein Jahrzehnt die Gymnasialbank 
drücken, alsdann mindestens vier zünftlerische Lehrjahre auf den 
Universitäten absitzen und schliesslich noch einige formelle Extra- 
stationen als Hülfsmaterial für die Krankenhäuser ertragen muss, 
ehe er dazu gelangt, wirklich selbständig zu lernen d. h. in erster 
grüner Experimentalpraxis oder besser als Assistent eines gewiegten 
Privatpraktikers ein wenig in die Wirklichkeit der Heilkunde ein- 
geweiht zu werden. Das Lebensalter ist alsdann über Gebühr vor- 
Dühring, Berufsbildung der Frauen.
	        
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