Full text: Der Weg zur höheren Berufsbildung der Frauen und die Lehrweise der Universitäten

gerückt, das Ergebniss aber ungeachtet oder vielmehr vermöge aller 
Prüfungschicanen, die zu neun Zehnteln auf unnützen Kram hinaus- 
laufen, in Wissen und Können ein unbefriedigendes und die prak- 
tische Aussicht nicht verlockend. Jeder scheut sich vor einem 
jungen unerfahrenen Arzt; denn wenn er es auch nicht mit allen 
Gründen nachweisen kann, so ist er doch aus den bisherigen Wahr- 
nehmungen der Gesellschaft davon unterrichtet, dass der maassgebende 
staatliche Vorbildungsgang keine Bürgschaft für unmittelbar bereites 
Wissen und Können bietet. Es wird also der Armuth und Noth 
überlassen bleiben, den Stoff für jene tastende, jedenfalls aber un- 
reife Experimentalpraxis zu liefern, auf welche selbst bei begabteren 
und unternehmenden Naturen doch mindestens ein halbes Jahrzehnt 
zu verrechnen ist; denn hier beginnt erst das eigentliche Lernen. 
Auch beginnt hier erst die Gewöhnung an gelegentliche Berufs- 
strapazen, und es ist allerdings der beste Theil des Lebens vernutzt, 
wenn der Mann dazu kommt, wahrhaft selbständig und in seinem 
Berufsgebiet zu Hause zu sein. Es mag also den Medicinern nicht 
übel genommen werden, wenn sie von der Kräfteauszehrung, der sie 
auf ihrem Lernwege anheimfallen, viel Aufhebens machen und das 
weibliche Geschlecht abschrecken zu müssen glauben. Wenn sie 
aber überhaupt die gelegentlichen Strapazen der wirklichen Praxis 
so hoch veranschlagen, dass sie den Weibern die physische, mora- 
lische und geistige Fähigkeit absprechen, den verschiedenen Vor- 
kommnissen gewachsen zu sein, so mögen sie sich doch erinnern, 
dass sie anderwärts, wo es sich nicht um Concurrenz handelt, die 
Frauen für Strapazen ganz zurechnungsfähig erachten. Oder sind 
die Leistungen der weiblichen Krankenpflege im Frieden und im 
Kriege etwa nicht oft noch angreifender, als die eigentlich ärztlichen 
Hantirungen, die sich, abgesehen von der Chirurgie, meist auf blosse 
Anordnungen beschränken und sich von den gröbern Unannehm- 
lichkeiten meist in vornehmer Ferne zu halten wissen? Das Weib, 
welches dazu ausreicht, die schwersten und gefahrvollsten unter den 
niedern Krankendiensten zu verrichten, soll seltsamerweise für die 
feineren eine zu zarte Leibes- und Hirnverfassung haben! Die 
Frauen, die man als Wärterinnen und in der Krankenpflege nicht 
genug rühmen kann und deren gesellschaftliche Berührung mit dem 
Aerztepersonal der Krankenhäuser keinen Anstoss erregt, sollen mit 
einem Mal aus ihrer Natursphäre weichen, wenn sie danach streben, 
an Wissen und Thun der Aerzte theilzunehmen. Fort also mit 
diesem gebrechlichen Einwand, der, genauer besehen, ein blosser
	        
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