Full text: Der Weg zur höheren Berufsbildung der Frauen und die Lehrweise der Universitäten

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Naturbedeutung abzustumpfen. Sie könnten geltend machen, dass 
auch zwischen Frauen sittliche Missverhältnisse möglich wären, und 
dass, wer diesen nicht vorbeugen könne, sich auch nicht einfallen 
lassen solle, an dem herrlichen Männerunterricht moralisch zu mä- 
keln. Auf diesen Einwand erwidere ich im Voraus, dass allerdings 
ja auch die Schulen für Junge Leute männlichen Geschlechts nicht 
so ganz frei von Verhältnissen bleiben, die auf einer Sittenverir- 
rung zwischen Lehrern und Schülern beruhen; dass aber diese Ver- 
stösse gegen die gesunde Natur eben Abnormitäten sind, die man 
zu bekämpfen hat, während im Falle der Verschiedenheit der Ge- 
schlechter die allernormalsten Naturgesetze selbst die verwerflichen 
Störungen verursachen. 
Auf die Gefahr hin, von Leuten mit einem engen Horizont 
gradezu der moralischen Pedanterie angeschuldigt zu werden, habe 
ich das entscheidende Grundverhältniss gekennzeichnet, welches bei 
dem männlichen Unterricht junger Mädchen und zwar ganz besonders 
dann störend werden muss, wenn ein Schülerinnenpublicum in Frage 
kommt, welches der heute üblichen Altersstufe um einige Jahre 
voraus ist. Weibliche Studirende, das Wort Studirende nach altem 
Stil als blosse Anhörer einer trocknen Universitätsvorlesung ver- 
standen, mag man sich in ihrem Verhältniss zum sogenannten Lehrer 
hinreichend apathisch denken, um von keiner Seite affective An- 
regungen zu besorgen, zumal wenn der Professor activ und passıv 
über alles Menschliche hinaus und von ihm so zu sagen nur das 
nöthige Gestell übrig geblieben ist, um die dürren vergilbten Blätter 
seines ihm ebenbürtigen Heftes umzuschlagen. An diese aus dem 
Frischeren Menschenleben ausrangirten Adressen, unter denen sich 
vielleicht auch einige Autoritäten finden, mag man sich allenfalls 
halten, wenn es gilt, für die Frauen die formelle Brücke auszuspähen, 
auf der sie, ehe ihre eignen Einrichtungen geschaffen sind, zu den 
allerersten Berechtigungen und Zeugnissen gelangen können. Der- 
artige vertrocknete Harmlosigkeiten stellen aber glücklicherweise 
nicht das Gesetz der frischen und gesunden Natur dar und sind am 
allerwenigsten da zu gewärtigen, Wo es sich um einen lebensvollen, 
womöglich auf gegenseitigem Gedankenaustausch beruhenden Unter- 
richt höherer und höchster Art handeln. soll. Hier wird grade das 
Weib für das Weib der natürlichste Beistand sein, und diese Wahr- 
heit wird gelten, auch ohne dass man soweit geht, etwa mit Sokra- 
tes die wahrhaft wirksame Belehrung in einer Art geistigen Geburts-
	        
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