Full text: Der Weg zur höheren Berufsbildung der Frauen und die Lehrweise der Universitäten

24 
hülfe zur Entbindung der eignen Gedanken des Lernenden suchen 
zu wollen. 
Das Lehrerthum männlichen Geschlechts, welches sich vor- 
wiegend im Besitz der Lehrstellen an sogenannten höhern Töchter- 
schulen befindet, weiss nicht genug von seiner eignen Ueberlegen- 
heit zu rühmen. Die weiblichen Lehrkräfte sind ihm nur Existenzen 
zweiter oder, sagen wir lieber gleich, dritter Classe; denn zwischen 
der didaktischen und pädagogischen Grösse der Männchen und der- 
jenigen der Weibchen muss natürlich noch eine unausgefüllte Kluft 
bestehen und eine Nummer offengelassen werden. Diese Eitelkeit 
ist nun unter allen Umständen übel angebracht und könnte in ihrer 
Hohlheit leicht aufgedeckt werden, wenn man sich die Mühe nähme, 
die Kenntnisse und die Lehrvirtuosität der fraglichen männ- 
lichen Unterrichtsfunctionäre nach absolutem Maass zu veran- 
schlagen. Indessen mag, wie die Dinge sich heut stellen, allerdings 
relativ ein Unterschied bestehen, der darauf beruht, dass die Aus- 
bildung in den Schulen für weibliche Lehrerinnen unzureichender 
ist, als die mannichfaltigen Gelegenheiten, die für die Zurichtung 
männlicher Lehrkräfte vorhanden sind. Es sind hienach ungleich- 
artige Vorbildungsfrüchte, die miteinander concurriren, und man muss 
sich noch wundern, dass Angesichts dieser Benachtheiligung überhaupt 
von weiblicher Seite noch einige Concurrenz möglich bleibt. Sieht 
man sich die Bildung derjenigen weiblichen Lehrerinnen an, die 
ihre Kenntnisse und ihre Einschulung beispielsweise solchen An- 
stalten, wie dem Berliner Seminar, zu verdanken und die ent- 
sprechende Prüfung gehörig bestanden haben, so ist dieser höchste 
Gipfel, zu dem bis jetzt die Frauen im Lehrfach gelangen, aller- 
dings in einem sehr bescheidenen Niveau verblieben. Das Wachs- 
thum des Bäumchens ist sorgsam bemessen, und überdies eine natür- 
liche Erhebung in grader Linie noch durch das niederziehende Ge- 
wicht von allerlei Verbildungsmaterial unmöglich gemacht. Die 
Quälerei ist gross und das Ergebniss klein; aber wie sollte es auch 
anders sein in Zuständen, in denen man die weiblichen Lehrkräfte 
nachher oft in so herrlich verkehrter Weise vernutzt, indem man 
sie, wie dies beispielsweise die Stadt Berlin aus dem Grunde versteht, 
die sonst für so zart ausgegebenen Anlagen in einer recht groben 
Hantirung, nämlich an wohlgefüllten Knabenclassen zu bethätigen 
nöthigt. Der Staat und die Gemeinden sind freilich mit den Ele- 
mentarschulen in arger Verlegenheit. Eine halbwegs leidliche 
Arbeiterstellung ist ökonomisch besser und in der Hantirung sowie
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.