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dung geliefert hat. Die sogenannten Lyceen aber, deren man eines
in Berlin und einige verwandte Gegenstücke in andern grössern
Städten Deutschlands wesentlich als private Unternehmungen in
Gang gebracht hat, können nicht im Entferntesten für etwas gelten,
was sich in ein praktisches Berufssystem oder auch nur in ein rein
theoretisch abgestuftes Bildungssystem einfügte. Ich werde hier nur
nach dem Berliner Mustergebilde urtheilen, welches ich genau genug
kenne, und an welchem mir, wie die letzte Nummer dieser Schrift zeigt,
der Contrast zwischen systematischer Initiative und zerfahrener
Mengselei von allerlei in unverbundener Planlosigkeit zusammenge-
würfelten Bildungsvorlesungen , bald solchen der niedrigsten Art,
bald solchen mit höheren Ansprüchen, nahe genug getreten ist.
Schon der Name ist irreleitend; in Frankreich weiss man allerdings,
was man für die männliche Jugend unter Lyceen zu verstehen hat;
wir wenigstens denken uns diese Französischen Institute ziemlich zu-
treffend , wenn wir sie ungefähr als Parallelen unserer Gymnasien
betrachten. Nun ist aber das weibliche Lyceum in Berlin mit einem
Gymnasium oder einer Realschule oder gar mit dem, was wir höhere
Vorschule genannt haben, nicht im Mindesten zu vergleichen. Der
Namengeber mag wohl an das Lykeion des Aristoteles gedacht
haben; aber aus diesem Gesichtspunkt nimmt sich die Bezeichnung
sogar noch linkischer und komischer aus. Den Namen müssen wir
also in jeder Richtung ausser dem Spiele lassen und uns an die
Sache halten, welche nichts Anderes als eine Vorlesungsanstalt und
zwar zunächst für das Bedürfniss einer Art Bildungszerstreuung be-
deutet hat. Das Schwergewicht des Interesse fiel bei dem theilneh-
menden Publicum, wie leicht begreiflich, auf solche Fächer wie
Kunstgeschichte und gelegentlich auch auf moderne Literatur, —
immer aber auf solche Dinge, die den weiblichen Kreisen in ihrem
bisherigen Bildungsgange bereits nahe gerückt waren. Nun ver-
streute man aber in ganz zufälliger Gestalt, wie es eben jedem an-
geworbenen Docenten beliebte, Ankündigungen von allerlei Vor-
lesungscursen buntester Mischung und oft genug unzweckmässigster
Art. Von mittelalterlichen Geschichtsliebhabereien gar nicht zu
reden, mag nur als auf ein besonders humorerregendes Beispiel
darauf hingewiesen sein, dass auch Griechische Literaturgeschichte
unter den angebotenen, wenn auch grade nicht nachgefragten Vor-
lesungen figurirt hat. Irgend ein leitendes Princip ist niemals vor-
handen gewesen, und um Ernst in die Sache zu bringen, hätte selbst
ein theoretisch noch so guter, aber blos allgemeiner Bildungsplan