Full text: Der Weg zur höheren Berufsbildung der Frauen und die Lehrweise der Universitäten

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nicht genügt, solange keine praktischen Berufsfolgen daran geknüpft 
worden wären. Ganz nebenbei und so zu sagen abseits von den mehr 
besuchten Hauptvorlesungen hat man auch kleine Gelegenheiten 
eingerichtet , ein paar Brocken Elementarmathematik sowie etwas 
Physik und Chemie anzusehen und „anzuhören“, ja auch, damit 
es am Allerbesten nicht fehle, für die lateinischen Sextaner- 
künste durch das Angebot einer Vorlesungseinweihung in die heilige 
Gelehrtensprache gesorgt. Natürlich ist mit all solchem zersplitterten 
Nebenwerk wenig oder so gut wie nichts geworden. Die Theil- 
nahme dafür blieb äusserst spärlich oder versagte ganz, was am 
allerwenigsten dem Frauenpublicum selbst zur Last fällt, welches 
mit Recht danach fragt, wozu und mit welcher schliesslichen Frucht 
es solche unzusammenhängende und an sich unzulängliche Halbge- 
legenheiten überhaupt noch benutzen soll. Wie sich später die Lei- 
tung des Lyceums künstlich Publicum zu verschaffen und die sonst 
nicht zu Stande kommenden Vorlesungen ein wenig zu füllen gesucht 
hat, ist in der Beilage dieser Schrift angegeben, und es würde uns 
überhaupt von bedeutenden Gegenständen ablenken, wenn auf den 
vorliegenden Bogen auch noch eine besondere Kritik der form- und 
principlosen Berliner Anstalt mit ihren schliesslich immer chaotischer 
gerathenden Abänderungsversuchen platzfinden sollte. Elementare 
Geographievorlesungen und Aehnliches, was zur Fortbildung von 
Lehrerinnen auf Kosten der Stadt hineingepfropft worden ist, dürfte 
sicherlich nicht die Zerfahrenheit und fast völlige Undefinirbarkeit 
des Charakters - der Anstalt mindern. In der That weiss letztere 
nicht, was sie eigentlich will, soll oder könnte. Auch ist dies nicht 
zu verwundern, da die für die Einrichtung maassgebenden gelehrten 
Elemente selbst Gegner aller ernsthaften Frauenbildung , nament- 
lich aber jeder höhern weiblichen Berufsbildung sind und ein In- 
stitut wie das Lyceum nach demselben socialpolitischen Grundsatz 
behandeln, wie in einer andern Richtung die sogenannte Volksbil- 
dung. Es ist eine alte Maxime, solche Bewegungen, die sich nicht 
unterdrücken lassen, wenigstens in einer für die ihnen feindlichen 
Elemente bequemen und möglichst fruchtlosen Richtung niederzuhalten. 
Behufs der Erzielung solcher unschuldigen Scheindinge stellt man 
sich selbst organisirend und fördernd an, während man in der That 
zu hemmen und abzulenken sucht. Doch genug von diesem Zwi- 
schenreich wissenschaftlich sein wollender Halbexistenz. Wirkliche 
Bildungsanstalten werden stofflich und der Lehrart nach den Cha- 
rakter der höhern Vorschule an sich tragen müssen und vor allen
	        
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