Full text: Der Weg zur höheren Berufsbildung der Frauen und die Lehrweise der Universitäten

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der Kirchensprache her angenommene Latein so zu sagen als heilige 
Scheidewand gegen das profane Volk angenommen und bis auf den 
heutigen Tag nach Kräften conservirt. Freilich haben sie die latei- 
nischen Vorlesungen schon im vorigen Jahrhundert grösstentheils ab- 
thun müssen; aber sie sind damit doch ein paar Jahrhunderte zu 
spät gekommen. Der Geist der freien Wissenschaft hatte sich schon 
im 16. Jahrhundert der neuern Völkersprachen bedient und die 
gelehrten Zünfte sind in diesem Punkt wiederum nur der Hemm- 
schuh gewesen, der den Wagen des natürlichen Fortschritts am un- 
rechten Orte aufgehalten hat. Heut steht das Latein theils als cere- 
monielles Curiosum, theils aber auch (und dies ist das ernsthafte 
Uebel) als Grundlage der Studien im Wege. Mit dem Griechischen 
sind zwar die Gymnasien arg genug heimgesucht; aber in den be- 
sondern Fachstudien spielt es, abgesehen von der Philologie, also 
von der Zurichtung von Gymnasiallehrern für dasselbe, auf den 
Universitäten keine gleich lästige Rolle. Der Jurist, dem man die 
Pandekten als A und O der Rechtskunde wöchentlich 12—15 stün- 
dig servirt, und der nach echt philologischer Manier wohl gar die 
Künste eines Römischen Richters an den alten „Formeln“ höchst 
Savignyromantisch galvanisiren soll, — der J urist, dem einige Ge- 
schäftskenntniss in den Verkehrs- und Rechtsformen des wirklichen 
Lebens Noth thäte, soll statt dessen am rescribirten Gajus klauben 
und, was noch schlimmer ist, gelegentlich ausser dem Byzantinischen 
Mosaik der Justinianisch-Römischen Rechtsbibel auch noch das Corpus 
des kanonischen Rechts in der ganzen Wohlbeleibtheit dieses geist- 
lichen Buches umklammern und, wie der Theologe seinen Hebräischen 
Psalm, so seine lateinische Stelle aus der hierarchischen Ueberliefe- 
rung auslegen können. Aber Griechisch kommt hiebei doch so gut 
wie gar nicht in Frage, und das Unleidliche ist die lateinische 
Wörterdressur. Seit sieben Jahrhunderten hat man an der Römi= 
schen Rechtsbibel, namentlich aber an den Pandekten, sowie auch 
an dem mittelalterlichen Zubehör heruminterpretirt und will noch 
immer dieser erläuternden Bedientenverrichtung nicht entwachsen 
sein. Diese Armseligkeit der Ergebnisse rührt von dem autoritären 
Princip her. Man hat persönliche Meinungen weiter gegeben, auf- 
gereiht und gesammelt; die Ansichten der Doctoren bildeten die so- 
genannte Wissenschaft und das lateinische Gewand war der einzige 
Umstand, welcher der äusserst platten Sache vor dem abergläubischen 
Publicum einen gewissen Schein und eine Art Vornehmheit ver- 
schaffte. Hienach wird man auch begreifen, warum die Gilde heute
	        
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