Full text: Der Weg zur höheren Berufsbildung der Frauen und die Lehrweise der Universitäten

16 
einer edleren Menschlichkeit oft so Fernstehendes, stets aber götter- 
spielerisch und abergläubisch Rückständiges aufdringen können. 
Für die richtige Würdigung und Stellung aller Belletristik, ein- 
schliesslich der sprachlich mumisirten und sachlich uns in vielen 
Elementen ganz unsympathischen des Alterthums, wird die eigent- 
liche Wissenschaft schon sorgen. 
Gesetzt aber auch, die weibliche Jugend würde unter gymnasial 
altsprachliche Zucht genommen, so würde sie selbst für den ein- 
gebildeten Zweck davon keine Frucht haben; denn mit dem Zeug- 
niss der Reife ist der heutige Abiturient in Griechischer Lectüre 
doch noch regelmässig ein derartiger Stümper, dass an ein geläufiges, 
sachlich ausgiebiges Aufnehmen alter Literaturwerke nicht zu denken 
ist. Bleibt doch noch sogar der studirte Philologe im trägen 
Schneckengange des sich Wort für Wort und Zeile für Zeile 
durchwindenden und meist mühsam keuchenden Uebersetzens 
und sogenannten Commentirens stecken! Doch ich kann diesen 
Gegenstand hier nicht im Entferntesten erschöpfen. Es ist genug, 
wenn die Frauen wissen, dass ihnen die heutige Todtenmaske der 
einst lebendigen antiken Literatur nicht blos übel anstehen, sondern 
auch noch die Verrenkung ihrer natürlichen Geistesglieder mit der 
altsprachlich grammatischen und lexikalischen Folter eintragen und 
sie so zu allen gesunden Leistungen ungeschickt machen würde, — 
eine Ungeschicklichkeit, die sie am besten im Voraus an jenen 
männlichen Blaustrümpfen studiren können, die als philologische 
Pedanten auf den Gymnasien und Universitäten die heutige Scho- 
lastik vertreten. Ueberhaupt hat die todtsprachliche Bildung ihren 
Ort bei den übrigen Leichnamen, die den Gegenstand linguistischer 
Anatomie bilden, also bei dem Sanskrit, dem Hebräischen und dergl. 
zu suchen und mag sich äussersten Falls einer ähnlichen gelehrten 
Winkelpflege, wie die altorientalischen Sprachen, erfreuen. Was 
aber das verdorbene Latein anbelangt, in welchem in den neuern 
Jahrhunderten auch noch einige wirkliche Wissenschaft, wie Mathe- 
matik und Physik, niedergeschrieben wurde, so ist es nur zum 
letzten Quellenstudium, ja, wie die Zuratheziehung antiker Griechi- 
scher Schriftsteller eigentlich nur zur Geschichtsschreibung der Wissen- 
schaft erforderlich, und letzterer Thätigkeit kann unter natür- 
lichen Verhältnissen über und über genügt werden, wenn auf 100,000 
Menschen, die den Ständen gelehrter Berufsausübung angehören, 
einer kommt, der sich mit dieser Art von Erinnerung befasst. Hiezu 
genügen aber Gelegenheiten wie sie ja auch bezüglich Mexikanischer
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.