Full text: Der Weg zur höheren Berufsbildung der Frauen und die Lehrweise der Universitäten

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liche Stationsdurchmachen in den öffentlichen Krankenhäusern, was 
man dem Weibe vorläufig nach Kräften versagen wird und was 
auch kaum als der natürlichste Weg gelten kann. Wie der Jurist 
am besten durch einen Advocaten und inmitten der Geschäftsbedürf- 
nisse zur selbständigen Rechtswahrnehmung geschult werden würde, 
während er jetzt die Universität praktisch ganz unkundig verlässt, 
so muss auch der ärztliche Beistand im engsten Anschluss an die 
einschlagenden Verrichtungen des täglichen Lebens erlernt werden. 
Privatvereine zum theoretischen Studium und zur ersten Einführung 
in die Praxis würden hier die privilegirten Staatsanstalten weit 
hinter sich lassen können und vor allen Dingen ein möglicher Weg 
sein, trotz der Staatsprotection der Unterrichtsprivilegien die Ge- 
werbefreiheit im weiblichen Interesse auszunutzen. Man hätte damit 
freilich noch nicht die amtsärztlichen Functionen zur Verfügung; 
man könnte noch keine staatsmässig gültigen Krankheits- oder 
Todtenzeugnisse ausstellen und, was weniger zu bedauern ist, auch 
nicht gültige Impfungen vornehmen. Indessen würde man statt 
dessen der Gesellschaft einige gesunde ärztliche Elemente eingeimpft, 
eine Schaar weiblicher Kenner von Gesundheit und Krankheit und 
hiemit zugleich eine grössere Bereitwilligkeit geschaffen haben, dem 
Publicum wirklich handanlegende Dienste zu leisten und sich auf 
den Hülferuf auch anders als blos bei Tage oder blos bei dem 
Sonnenschein vielen Goldes einzustellen. Doch letztere Vortheile 
gehen die gesammte Gesellschaft erst später an; in der Phase des 
Studiums aber wird man zu erwägen haben, dass die naturgemäss 
verfügbare Zeit bemessen ist. 
Soll das Mädchen nicht zu alt und durch die Studien über ihre 
Jugendblüthe hinaus mit blossen Vorbereitungsdingen zu lange auf- 
gehalten, also an einer rechtzeitigen Selbständigkeit des mündigen 
und praktischen Lebens gehindert werden, so muss sie ihre höchste 
theoretische Berufsaufgabe etwa in zwei Jahren ebensogut durch- 
messen können, wie der Zögling der Pariser polytechnischen Hoch- 
schule die seinige. Ja es muss in dieser Zeit für die Annäherung 
an den praktischen Beruf vergleichungsweise noch mehr geschehen; 
denn die Mediein ist noch lange nicht in dem Maasse eine eigentlich 
wissenschaftliche Kunst, wie es das Ingenieur- und Baufach sind. 
Von den vermeintlichen oder wahren Hülfswissenschaften der Medi- 
cin kann man sehr viel in die „höhere Vorschulung“ verweisen. 
Beispielsweise werden Physik und Chemie nicht wie heute zweimal 
erscheinen, nämlich erst auf Gymnasien oder Realschulen unzuläng-
	        
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