-_ 61 —
falschen Verbreitungen über den Hergang entgegenzutreten, werde
ich mit eingehender Genauigkeit die einschlägigen Thatsachen und
Briefe vorführen.
Im Herbst 1872 wurde ich von Frau Hedwig Dohm, mit der
ich bis dahin persönlich nicht bekannt war, aufgefordert, in deren
Hause vor einem von ihr vereinigten Privatcirkel junger Damen all-
gemein wissenschaftliche Vorträge zu halten. Es handelte sich
dabei namentlich um eine Anregung zur eignen Thätigkeit und zur
Benutzung der innerhalb der neusten Geistesströmung wichtigen lite-
rarischen Erscheinungen aus dem Bereich der höheren Bildungs-
wissenschaft, und der Name Philosophie kam mit seiner gewöhnlich
vorherrschenden metaphysischen Bedeutung meinem Standpunkt ge-
mäss gar nicht in Frage. Frau Dohm sowie deren älteste Tochter
und die übrigen Mitglieder des Kreises, unter dem sich auch solche
befanden, die das Victorialyceum besucht hatten, waren bei ihrer
Vereinigung zum Privatcursus von dem Gedanken geleitet gewesen,
sich eine Belehrung zu schaffen, die ihnen mehr genügte als das,
was in jenem Lyceum geboten wurde.
Die Kunde von den genannten Vorträgen gelangte bald in die
Kreise des Lyceums und veranlasste dort den Wunsch, ebenfalls
solche Curse eingeführt zu sehen. Die Unternehmerin und Vor-
steherin des Lyceums, Miss Archer, bemühte sich bei mir in diesem
Sinne, um mich zur Uebernahme zu vermögen und setzte, als ich
ohne Umschweife abgelehnt hatte, auf indirectem Wege ihre Be-
mühungen fort.
Es war mir von vornherein als unthunlich erschienen, einen
Boden zu betreten, auf dem mir die Bürgschaften wissenschaftlicher
Freiheit allzu sehr zu fehlen schienen und wo überdies noch in dem
Curatorium, dessen sich Miss Archer als berathender Instanz be-
diente, gegnerische und mir abgeneigte Persönlichkeiten stark ver-
treten waren. Miss Archer wendete sich nach meiner Ablehnung
an Frau Dohm und wurde von derselben darauf aufmerksam ge-
macht, dass meine wissenschaftlichen Ueberzeugungen frei, ja äusserst
frei wären und mein persönlich strenger Charakter sich in keine
damit in Widerspruch stehende Beschränkung fügen würde, Hierauf
gab Miss Archer die entschiedenste Versicherung , dass es an Frei-
heit nicht fehlen solle, und bestätigte schliesslich auch in einem Brief
an Frau Dohm die fragliche, allerdings nur moralische Bürgschaft.
Da dieser Brief, obwohl direct an Frau Dohm, doch indirect an
mich gerichtet war und so zu sagen zu meinen Engagementspapieren