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Kant Autoritätsrespect zeigte. Das Frauenpublicum sei aber an Er-
gebenheit unter die Autorität zu gewöhnen.
Schon im zweiten Winter 1873—74 hatte ich mit der frag-
lichen Hemmung zu kämpfen, wie ich aus dem kühlen, auf einen
möglichen Abbruch deutenden Benehmen der Unternehmerin er-
kannte, und musste bisweilen durch allerlei Wendungen die feind-
lichen Ausgriffe pariren. Miss Archer, welche schliesslich mit ihrem
Interesse an einer guten Einnahme immer als die maassgebende
Seele des Lyceums anzusehen war, konnte nicht gleichgültig bleiben,
wenn ihr von den mir gegnerischen Seiten allerlei Fingerzeige kamen,
wie meine Behandlungsart, trotz des guten Frequenzerfolgs, doch
eigentlich dem Zweck noch nicht genug entspräche. Noch erinnere
ich mich, wie ich damals, um den Gelehrtenhass und die Secten-
verfolgung zu erläutern, einmal im rechten Augenblick im Vortrag
das Beispiel von Pierre de la Ramee vorführte, der 1572 am dritten
Tage des Bartholomäusmassacre auf grausame Weise durch Leute
ermordet wurde, die von seinem gelehrten Collegen und philoso-
phischen Gegner Charpentier, einem bornirten und allen Neuerungen
feindlichen Aristoteliker gedungen waren, um jenen berühmten Lo-
giker für seine Angriffe auf den heiligen Aristoteles und für seine
wissenschaftliche Opposition in ausgesuchter Art tödtlich abzustrafen.
Man hatte dies richtig verstanden und auch Miss Archer war dies-
mal keine Ausländerin gewesen, sondern richtig auch in die Geheim-
nisse des Inlandes eingedrungen.
Nachdem ich einmal eine Sache übernommen und mir durch
Anstrengungen einen Wirkungskreis erworben, wollte ich den Platz,
den ich früher abgelehnt hatte, nun auch nicht meinen gelehrten
Widersachern zu Gefallen ohne Widerstand räumen. Wenn ich
noch ausserdem 2 Jahre standhielt, so ist dieses Ergebniss nur durch
eine fortwährende Arbeit gegen die gegnerischen Einflüsse erzielt
worden. Miss Archer hatte mich noch aufgefordert, auch einen
Cursus über Nationalökonomie einzuführen, was ich jedoch ablehnen
musste, da ich die geringfügige Theilnahme für ein den Frauen bisher
noch so wenig nahegelegtes Gebiet voraussah und durch eine solche
Unternehmung meinen Gegnern bei ungenügendem Ausfall eine
Waffe in die Hände gespielt hätte.
Im März 1876 hatte mich der hiesige Schulreformverein auf-
gefordert, einen Vortrag über die Universitäten zu halten. Da
dieser Gegenstand zur gebührenden Behandlung von meinem Stand-
punkt aus für einen Vortrag zu umfassend und für eine mündliche,