Full text: Der Weg zur höheren Berufsbildung der Frauen und die Lehrweise der Universitäten

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selbst; aber er sagt noch nicht Alles. Mein Beispiel ist unter den 
mir bekannten das einzige, dass Jemand am Lyceum gewaltsam 
entfernt worden wäre. Diejenigen, von denen man sagen kann, 
dass sie zurücktreten mussten, waren in dieser Nothwendigkeit ver- 
möge ihres Mangels an Erfolg. Mir gegenüber war aber die freund- 
liche Absicht meiner Beseitigung recht schwierig auszuführen. Hätte 
man mir die Zahl der Zuhörerinnen auf ein geringes Maass herab- 
setzen können, so hätte ich von selbst gehen müssen. Aber eine 
solche Politik war gegen mich unausführbar, obwohl der Einfluss 
auf die Frequenz von Seiten Miss Archers und ihres Anhangs nicht 
unbedeutend ist. Im Gegentheil hätte ich immer festeren Fuss ge- 
fasst. Der Versuch, mich in den letzten Wochen durch die Beneh- 
mungsart, die mir erst nachträglich aus neuen Thatsachen verständ- 
lich wurde, derartig zu reizen, dass ich selbst die Initiative zum 
Abschied ergriffe, war missglückt. So musste denn der „wärmste 
Dank“ des ersten Briefes ausgespielt werden, und hiezu kamen all 
die ergötzlichen Widersprüche bis zu dem Aeussersten, in einem 
Athem mir „eine grosse Schaar“ den „geistvollen Vorträgen auf- 
merksam lauschender Zuhörerinnen“, ja eine begeisterte Anhänger- 
schaft zuzuschreiben und mich zugleich gehen zu heissen. Freilich 
ist hier grade der Schlüssel zu finden; denn meine Erfolge waren 
eben das, was mich für die fraglichen gegnerischen Einflüsse immer 
unerträglicher gemacht hatte. Die „Denkweise anderer auf den ver- 
schiedensten Gebieten des Wissens bahnbrechender Männer,“ wie 
es S. 70 hiess, sollte zum Ausdruck gelangen. In meine Sprache 
übersetzt, bedeutete dies, dass gewisse Tagesautoritätchen, die ich 
nicht honorirte, verherrlicht werden sollten. Solche persönliche sub- 
jective Dienste waren von mir oder von Jemand, der ein gleich 
selbständiges und unabhängiges Urtheil hat und es mit der „objec- 
tiven“ d. h. sachlichen Wahrheit ernst nimmt, natürlich nie zu 
erwarten. 
Uebrigens hatte ich ja meine Schuldigkeit und zwar ernstlich 
gethan. Die Lyceumsverhältnisse sind über das missglückte Stadium, 
durch den selbständigen Werth der Leistungen ein grösseres Publi- 
cum zu erwerben, bereits hinaus. Durchschnittlich waren, ein paar 
Ausnahmen abgerechnet, die verschiedenen Fächer so kläglich be- 
sucht gewesen und Alles hatte vorherrschend eine so träge Physio- 
nomie behalten, dass Miss Archer immer mehr zu künstlichen Mit- 
teln ihre Zuflucht nahm. So hatte sie 1874 durch Erlassung von 
Bittschreiben ungefähr 30,000 Mark zusammengebeten, um durch
	        
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