Full text: Sozialpädagogik

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Sittliche für den Einzelnen, hängt davon ab, was es für alle, 
was für die Person überhaupt, davon, was es an sich, sachlich, 
objektiv ist. Das „Ich soll“ hat, wenn nach dem Inhalt des 
Sollens die Frage ist, zur Grundlage das „Es soll“, das Gute 
der Person das Gute der Sache, nicht umgekehrt. 
Darum bleibt doch das Wollen des Guten selbst individuell!): 
es kann keiner für mich wollen, für mich Vernunft haben, 
praktische so wenig wie theoretische. Daß ich oder mein Tun 
gut sei, liegt rein in mir, in der Beschaffenheit meines Wollens, 
und ist ganz davon unabhängig, ob auch der Andre es dafür 
erkennt. Sittlichkeit besteht nicht durch einen Vertrag auf 
Gegenseitigkeit; habe ich bei mir selbst etwas für gut erkannt, 
so bleibt es für mich geltend, und ob alle Welt es anders 
befände. Der sittliche Wille unterwirft sich nur dem Gesetz, 
das er sich selbst gibt. Allein jetzt ist nach dem Inhalt des 
Gesetzes, nicht nach dem Gesetzgeber die Frage. Die Gesetzes- 
form selbst aber verleiht diesem Inhalt objektiven und also 
überindividuellen Charakter. Der Glaube an eine Sache ist 
(nach $ 8) das Merkmal sogar des (eigentlichen) Willens über- 
haupt, nicht erst des sittlichen Willens. Mag aber einer den 
Gegenstand seines besonderen Wollens für seine ausschließliche 
Sache halten, so ist doch der Wille so lange noch nicht rein 
sittlich, d. h. erfüllt er nicht rein sein eigenes Gesetz, als man 
noch die eigene Sache gegensätzlich gegen die des Andern 
stellt; er ist es erst dann, wenn ıch erkenne: meine Sache ist 
keine andre, soll keine andre sein, als die auch jedes Andern 
Sache sein sollte und der Wahrheit nach ist. 
Also bleibt es dabei, daß das Sittliche an und für sich, 
seinem Inhalt nach, Gemeinschaftssache und in keiner Weise 
Privatsache ist. Es ist nicht bloß an sich für alle eins und 
1) So sagt Pestalozzi richtig in den „Nachforschungen“ (Werke hr. 
v. Seyffarth VIII, 468): „Die Sittlichkeit ist ganz individuell, sie besteht 
nicht unter zweien“; nämlich im Unterschied vom „gesellschaftlichen 
Recht“, welches nach seiner (Rousseauschen) Auffassung auf Vertrag, 
d. h. auf gegenseitiger Verpflichtung beruht. Dagegen wird das Sitt- 
liche seinem Inhalt nach von Pestalozzi wesentlich sozial verstanden. 
(Vgl. Abh. 2. Aufl. II 133f.; Reins Enz. Hdb., Art. Pestalozzis Päda- 
gogik;, N. 18—20; Pestalozzi, s. Leben u. s. Ideen, 2. Kap. 8 7, 3. Kap. 8 4.)
	        
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