Full text: Sozialpädagogik

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mittelbar erhält. Indessen in seinem gewöhnlichen Gebrauch 
ist das Wort Gewissen der an sich darin liegenden Beziehung 
auf das reine praktische Selbstbewußtsein fast verlustig ge- 
gangen. Es hat von seiner überwiegend religiösen Anwendung 
unleugbar einen Beigeschmack von Heteronomie erhalten, wäh- 
rend bei. dieser, wenn überhaupt bei irgend einer Tugend, 
die Autonomie des Sittlichen aufs strengste gewahrt bleiben 
muß. 
„Gewissen‘“ besagt nach vorherrschender Auffassung un- 
streitig etwas. wie Autorität, wiewohl innere, nicht äußere. 
Diese kann auf knechtischer Furcht, sie kann auf Liebe (des 
Kindes gegen die Eltern, oder in religiöser Wendung, des 
Menschen gegen den göttlichen Vater) beruhen, in jedem Fall 
hat. sie ihre Wurzel im Gefühl; Gefühl aber ist nicht. die 
höchste Form des Bewußtseins, nicht reine Bewußtheit. In 
pädagogischer Hinsicht ist nun zwar das Gewissen der Liebe 
sicher von unersetzlichem Wert und auch die niedere Stufe der 
Furcht nicht überhaupt abzulehnen. Die Furcht soll über- 
wunden werden, aber sie darf auch für den sittlich Reifsten. 
so lange er fehlbarer Mensch ist, nie ganz überwunden sein. 
Gerade die höchste Erhebung des sittlichen Gedankens zur 
Idee unendlicher Vollkommenheit kann das Moment der Furcht 
wegen unserer endlichen Schwachheit, kann das Gefühl der 
Demut niemals abstreifen; und es ist an sich ein Vorzug, 
daß das Wort „Gewissen‘“ dieses Moment deutlich mitbe- 
zeichnet. Aber doch ist eine solche bloße Gefühlshaltun g 
an sich nicht Tugend. Sie ist mehr ihr Kennzeichen als ihr 
Grund; dieser kann nur in der reinen Bewußtseinstugend, im 
aufrichtigen Wollen der Wahrheit gefunden werden. Es würde 
mindestens noch ein unterscheidender Zusatz nötig sein, wenn 
man mit Gewissen oder Gewissenhaftigkeit die oberste der 
Tugenden bezeichnen wollte, und dann wäre ein Ausdruck 
wie Wahrheit (Gewissen der Wahrheit, im Unterschied vom 
Gewissen der Furcht oder der Liebe) doch nicht zu umgehen. 
Das Wort Wahrheit ist aber gehaltreich genug, um das Beste, 
was in „Gewissen‘“ ausgedrückt ist, mitzubezeichnen; und so 
möchte ihm in jeder Beziehung der Vorzug gebühren. 
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