Full text: Sozialpädagogik

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ausübende Tat. Im Selbstbewußtsein wurzelt sie immer; aber 
aufs Selbst bezieht sich eben alles wollende Bewußtsein not%- 
wendig zurück, Auch Erkenntnis ist Willenstat, untersteht 
also dem obersten Gesetz des Willens, dem Gesetz der Wahr- 
heit. Und es ist. ja auch kein Zweifel, daß im unbeirrten Wahr- 
heitsstreben des ‚Forschers, des seiner Denkkraft mächtigen 
Menschen überhaupt, in der Energie der Überwindung des 
Sinnentrugs, des Vorurteils, des versteckten Einflusses grober 
und feiner Interessen auf das Urteil, deren es in aller Er- 
kenntnisarbeit bedarf, sich hohe Sittlichkeit betätigen kann. 
Aber auch in der nach außen gerichteten Tat, in jeder, wie man 
recht sagt, „redlichen“ Arbeit kann sich der Sinn der Wahrheit 
bekunden, als der Sinn, das Werk oder die Sache, an der 
oder für die man arbeitet, ihrem Gesetz gemäß zu gestalten, 
auch trotz jedes sich vordrängenden Anspruchs der eigenen 
Person oder falscher, nicht aus der Sache fließender persön- 
licher Rücksicht überhaupt. Man kann es die Tugend der 
Sachlichkeit nennen, die offenbar einer der kräftigsten 
Äste am Stamm unserer ersten Grundtugend, der Wahrheit, ist. 
Sie kommt zur Anwendung in jedem menschlichen Werk, mag 
es sich um Kleines handeln oder um Großes, um Arbeit an 
Dingen oder an Menschen, um technische oder Handelsunter- 
nehmungen, um Kriegspläne, Gesetzentwürfe, Rechtssprüche 
oder um Werke der Dichtung oder Kunst, denn auch das ist 
nicht bloß Sache des Genies, sondern auch der redlichen 
Arbeit; die wahrhaft großen Genies sind immer auch redliche 
Arbeiter gewesen. 
In dem allen ist Wahrheit Pflicht; auch ganz abge- 
sehen von jeder Rücksicht auf den Nebenmenschen. Wir 
wären ın Verlegenheit, wenn wir nach der gebräuchlichen 
Einteilung der Pflichten in solche gegen uns selbst und gegen 
den Nebenmenschen uns entscheiden sollten, in welche von 
beiden Klassen diese so weitreichende Pflicht der Sachlichkeit 
zu stellen sei. Jede sittliche Pflicht ohne Ausnahme ist Pflicht, 
nicht gegen, aber vor uns selbst, sofern das eigene sittliche 
Bewußtsein sie uns auferlegt; fragt man aber, worauf sie in 
der Ausübung sich erstrecke, so müßte man am Ende von
	        
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