Full text: Sozialpädagogik

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Tat nicht zur sittlichen. Der gesellschaftliche Instinkt kann 
an sich zum Verkehrten leiten so gut wie zum Rechten; sich 
ihm urteilslos überlassen ist keineswegs sittlich, allenfalls eine 
unverächtliche Stufe der Erziehung zum Sittlichen.. Als solche 
wollen wir auch den Ehrtrieb gerne gelten lassen. Es gibt 
ohne Zweifel einen sittlichen Ehrtrieb. Unfraglich sieht gerade 
der sittliche Mensch es für ehrlos an, im gegebenen Falle sein 
Leben nicht zu wagen. Aber warum hält er es. dafür? Weil 
Andre es dafür halten? Welche Andren? Wahrscheinlich denkt 
die kleinste Zahl darüber so streng, wie man im sittlichen 
Interesse denken soll. Gerade die Ehrvorstellungen der Men- 
schen sind so himmelweit verschieden, daß es vor allem dafür 
eines Kriteriums bedarf. Welche Ehre ist denn nun für das 
sittliche Urteil maßgebend? Natürlich nur die sittliche. Aber 
dann stützt man Ehre auf Sittlichkeit, nicht Sittlichkeit auf 
Ehre; wie es auch allein zulässig ist. 
Es verhält sich mit diesen ‚abgeleiteteren Begriffen nicht 
anders als mit den allgemeinen der Lust, der Glückseligkeit 
oder des Nutzens. Immer wird sich fragen: welche Lust, 
welche Glückseligkeit, welcher Nutzen entscheidet? Bestimmt 
die am irgend einem anderweitigen, außersittlichen. Maße ge- 
messene Lust, Glückseligkeit oder Nützlichkeit, was sittlich, 
oder bestimmt vielmehr das eigene Gesetz der Sittlichkeit, was 
wahre Lust, Glückseligkeit, Nützlichkeit ist? Unter dem Ge- 
setz der Lust und Unlust steht jede Handlung, jede Willens- 
richtung; der Edle findet am Edlen seine Lust, der Unedle 
am Unedlen: eben darum bedarf es eines andern Maßes für 
unser Wollen und Handeln als der Lust. Sobald aber nur 
ein Unterschied der Wahrheit einer Lust, eines Nutzens von 
dem andern anerkannt wird, ist damit schon ein selbständiger 
Grund des Sittlichen zugegeben. Desgleichen läßt sich ein 
Vorrang des Nützlichen vor dem bloß Angenehmen ohne ein 
von der Lust verschiedenes Prinzip nicht begründen. Er ist 
darin begründet, daß der Mensch kein Augenblicksgeschöpf ist; 
aber eben diese Erwägung führt, in ihrer vollen Tragweite 
verstanden, über jede bloß empirische Begründung hinaus. 
Die sittliche Tugend der Tapferkeit, sofern sie die Fähigkeit
	        
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