Full text: Sozialpädagogik

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soll der Sachverständige befehlen. Der Vorteil, der dabei 
zu suchen, ist nicht seiner, sondern derer, denen er befiehlt. 
Er hat den Befehl, sofern er die Sache versteht; aber die Sache 
ist gemeinsam. Eine Sache, welche es auch sei, ausschließlich 
sein eigen nennen, ist ihm der Inbegriff des sozialen Unrechts, 
ein auf diesen Begriff des Eigentums gebauter Staat das 
Gegenteil des sittlich geforderten. Vielmehr sind beide, der 
Befehlende und der Gehorchende, Eigentum der Gemeinschaft, 
ihr Befehlen und ihr Gehorchen ist Dienst der Gemeinschaft. 
Das ist der Aristokratismus Platos, der am Ende auch Demo- 
kratismus heißen könnte, sofern darunter die Verneinung 
jedes Befehlsrechts einer Klasse als solcher und nicht ledigliclhr 
des Tüchtigeren verstanden wird.‘ Dieser Aristokratismus ist 
mit der sittlichen Gleichheit wohl im Einklang; denn diese 
besagt die für alle an sich gleiche Verpflichtung, die gegebenen 
Kräfte in den Dienst des Guten und, sofern das Gute Ge- 
meinschaftssache ist, in den Dienst der Gemeinschaft zu stellen; 
welche an sich. gleiche Pflicht sich empirisch modifiziert nach 
dem Maße der Fähigkeit der Einzelnen. Da übrigens die 
menschlichen Fähigkeiten bildsam sind, so besteht auch 
wiederum die Verpflichtung, allen an sich gleiche Möglichkeit 
zur Ausbildung ihrer Fähigkeiten zu schaffen. Dabei aber 
stellt sich nun, merkwürdig genug, eine Art umgekehrter 
Proportion heraus: wie der Kranke mehr leibliche Pflege für 
sich fordern darf als der Gesunde, so hat der weniger Begabte 
Anspruch auf desto größere Sorgfalt für seine Bildung. Die 
Formel, daß dem Bessern Besseres gebühre, dem Schlechteren 
Schlechteres, versagt hier völlig; diese Proportion wäre hier 
schreiendste Ungerechtigkeit, sie würde sagen: Wer hat, dem 
wird gegeben, und wer nicht hat, dem wird auch noch ge- 
nommen, was er hat. 
So kann die Gleichheit, die der Begriff der Gerechtigkeit 
vorschreibt, sich empirisch äußerst verschieden ausnehmen; 
Beweis genug, daß dieser Begriff nicht aus der Erfahrung 
geschöpft ist. Wir folgern ihn ganz schlicht aus dem Gemein- 
schaftscharakter des Sittlichen. Die Idee der sittlichen Gleich- 
heit ist mit dem entschiedenen Willen sittlicher Gemeinschaft 
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