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Beziehung auf die Gemeinschaft gibt. Sie bedeutet zugleich
Wahrheit, Kraft und Reinheit der Sittlichkeit im
Verhalten zur Gemeinschaft.
Zugleich ergibt sich, daß auch auf diese Tugend Anwendung
findet, was von den drei andern in ihrem wechselseitigen Ver-
hältnis gezeigt wurde: daß jede mit jeder andern nicht bloß
harmoniert, sondern derart eins ist, daß keine sich ohne die
anderen vollenden kann, während doch der begriffliche Unter-
schied fest bleibt. Das ist der Platonische Satz von der Ein-
heit der Tugenden, der eben dies besagt, daß sie alle
in der letzten Wurzel eins und derart unter einander verbunden
sind, daß jede der andern hilft und selber ohne sie nicht sein
kann, doch aber jede von der andern dem Begriff nach ver-
schieden bleibt. Aus dem Verhältnis der drei Stufen der
Aktivität einerseits und dem unauflöslichen Zusammenhang
von Individuum und Gemeinschaft andrerseits folgt dies Ver-
hältnis der Tugenden mit zwingender Notwendigkeit; wie denn
auch Plato wesentlich dies im Sinn zu haben scheint.
In der Reihenfolge unsrer vier Tugenden aber ließ sich
ein stetiger Fortgang von mehr abstrakten zu immer kon-
kreteren Gestaltungen.des Sittlichen beobachten. Es gilt nun
den letzten Schritt in dieser Richtung zu tun, indem wir von
der bloß individualen zur „Tugend“ oder sittlichen Ordnung
des Soziallebens fortschreiten.
Ss 16.
Parallelismus der Funktionen des individualen und
sozialen Lebens.
Der Begriff der individuellen Tugend, wie er bis dahin
entwickelt worden ist, erschöpft nicht den Gehalt der sittlichen
Verfassung auch nur des Individuallebens. Er reicht nicht
hin zur Bestimmung der konkreten sittlichen Aufgabe selbst
des Einzelnen; sondern diese ergibt sich vollständig erst unter
Mitberücksichtigung des Verhältnisses der Individuen in der
Gemeinschaft. Auch die individuelle Tugend entfaltet sich
erst recht in der Arbeit an den sittlichen Aufgaben, .die der