Full text: Sozialpädagogik

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Ein scharfsichtiger Soziologe!) sieht den Kern der merk- 
würdigen Bewegung in der Entstehung eines neuen „weltlichen 
Klerus“. Damit ist eben die Bedeutung der Sache treffend 
bezeichnet, auf die unsere allgemeinen Erwägungen hinführen. 
Was anders hat der alte Klerus denn darstellen wollen als 
eine schlechthin universale Organisation der Fürsorge für das 
geistige Bedürfnis aller, so wie man dies Bedürfen und diese 
Fürsorge auf der damaligen Stufe sozialer Entwicklung ver- 
stand und vielleicht nur verstehen konnte? Das unter- 
scheidende Kennzeichen eines „weltlichen“ Klerus aber läge, 
nicht eigentlich und ursprünglich in der Ablehnung des Über- 
sinnlichen, sondern in der Überwindung des Autoritäts- 
charakters der geistigen Fürsorge. Dieser folgt keineswegs 
aus der Voraussetzung des Übersinnlichen an und für sich, 
sondern aus dem Anspruch einer bevorrechteten‘ Klasse 
„Geistlicher“, im Besitz der allein wahren Erkenntnis des 
Übersinnlichen: und -der nächsten, unmittelbarsten Beziehung 
zu ihm zu sein, was. ja. freilich, sofern man damit Glauben 
findet, die unüberwindlichste Autorität schaffen muß. Genau 
das ist es nun aber, was die moderne. Entwicklung schlechter- 
dings ablehnt; was sie ablehnen muß, sogar vom religiösen 
Standpunkt selbst; denn gerade das Göttliche für den Menschen 
gestattet sie nicht mehr zu denken als Offenbarung an eine 
selbst bei der Gottheit privilegierte Klasse, sondern allein an 
„den“ Menschen oder an die Menschheit. Solange allerdings 
die Religion selbst nicht mit Entschiedenheit diesen Stand- 
punkt einnimmt, ist die freie Bildungsarbeit an den KEr- 
wachsenen schon gezwungen, sich völlig abseits der Religion 
auf den Boden der bloßen Sittlichkeit zu stellen, d. h. die Reli- 
gion zwar nicht abzulehnen, aber rein dem Gewissen des Ein- 
zelnen zu überlassen. 
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1) F. Tönnies, Eth. Kultur 1894, Nr. 36,37. Vgl. des. Verf. Aufsatz 
„Über volkstümliche Universitätskurse (Universitäts-Ausdehnung)“, Acad. 
Revue, Jahrg. II, H. 23-24, Aug.-Sept. 1896. Ferner: Die Erziehung des 
Volkes auf dem Gebiete der Kunst und Wissenschaft (in Schriften uer 
Zentralstelle für Arbeiter-Wohlfahrtseinrichtungen, Nr. 18. Berlin, Hey- 
mann, 1900). Volkskultur ete., Kap. 4 und 5.
	        
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