Full text: Sozialpädagogik

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Es ist richtig in der Ethik, daß sinnliche Motive nicht 
Sittlichkeit begründen; aber es bleibt darum nicht minder rich- 
tig in der Pädagogik, daß die Anfänge des Verhaltens, das in 
Absicht der Bildung zum Sittlichen vom Kinde gefordert werden 
muß, bloß sinnlicher Motive bedürfen und allein durch solche 
zu erzielen sind. Daher wird auch die sittliche Lehre für diese 
Stufe, die nur bestimmt ist, ein solches Verhalten auch von 
Seiten des Begriffs zu unterstützen, keine andern als sinnliche 
Motive geltend machen müssen. Das wäre freilich unverständ- 
lich, wenn Sittlichkeit und Sinnlichkeit sich aufhebende Gegen- 
sätze wären. Nachdem aber erkannt ist, daß es eine Tugend 
der Sinnlichkeit gibt, jene, welche wir als Reinheit oder 
Maß bezeichnen, ist es ganz verständlich, daß der erste Aufruf 
zur Tugend sich richten muß nicht an die Sinnlichkeit schlecht- 
weg, aber an die Tugend der Sinnlichkeit, um von dieser Seite 
her, zufolge des notwendigen Zusammenhanges der Tugenden, 
zur ganzen Sittlichkeit den ersten Grund zu legen. 
Ebenso wäre es in der Ethik verkehrt, auf den Grund der 
Willensdisziplin und dadurch zu erreichenden Höhe der Energie, 
der dem Knabenalter doch so einleuchtend ist, die Sittlichkeit 
etwa ganz-und gar zu gründen; aber es bleibt darum nicht 
minder richtig in der Pädagogik, für die zweite Erziehungs- 
stufe dies Motiv, für das sie eben am zugänglichsten ist, 
voranzustellen. Denn es gibt eine eigene Tugend der 
Willensdisziplin, die Tapferkeit, und es hat wohl Sinn, 
jetzt vorzugsweise durch Weckung dieser Tugend auf das 
Ganze der Sittlichkeit hinzuarbeiten, unter Festhaltung und 
fortdauernder Pflege dessen, was von der sinnlichen Seite her 
schon auf der ersten Stufe gewonnen wurde. 
Das Letzte fügt dann die dritte Stufe hinzu, indem sie nun 
erst bis zum innersten Grunde des Sittlichen, zum Grunde 
der „Wahrheit“ zurückgeht, und zeigt, wie in ihm alles bis 
dahin Gewoönnene zugleich bestätigt und überboten wird. Die 
sittliche Lehre. der ersten Stufe sagt also: Sei gut um der Rein- 
heit willen; die der zweiten: Sei gut um jener Selbstdisziplin 
willen, die der wahre Sinn der Tapferkeit ist; und erst die der 
dritten: Sei gut allein um der Wahrheit willen.
	        
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