Full text: Sozialpädagogik

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Ein naheliegender Einwand ist hiermit gewissermaßen schon 
erledigt. Es kann leicht scheinen, daß das Wort „Gestaltung“ 
die Eigenheit des Ästhetischen eben deswegen nicht zutreffend 
bezeichne, weil die bloße Darstellung eines sinnlichen Gegen- 
standes vielmehr Sache theoretischer Erkenntnis und tech- 
nischer Arbeit sei. Gerade zufolge der von uns immer be- 
haupteten engen Einheit von Theorie und Technik muß doch 
die Kunst auch von der Technik radikal verschieden sein, wenn 
die ästhetische Gestaltung grundverschieden sein soll von der 
theoretischen wie von der ethischen. Und diese Verschiedenheit 
wird ja mit größtem Recht auch immer behauptet. Nicht die 
äußere sinnliche Gestalt ist es, die etwa das plastische Kunst- 
werk ausmacht. Diese könnte einer mit mathematischer Ge- 
nauigkeit auffassen, sogar sicher wiederzugeben imstande sein, 
ohne von ihrer ästhetischen Bedeutung irgend etwas zu ver- 
spüren; so wie es Sänger und ausübende Musiker gibt, die ein 
Werk der Musik haarscharf in allem, was sich auf Begriffe 
bringen und verstandesmäßig erklären läßt, auszuführen ver- 
mögen, und doch von seinem ästhetischen Gehalt nichts 
empfinden noch diese Empfindung durch ihren Vortrag zu 
wecken imstande sind. Auch soweit direkt gedankliche Ele- 
mente den Stoff zu künstlerischer Gestaltung abgeben, Er- 
innerung an Dinge, Personen und deren Verhältnisse, ist das 
Künstlerische genau nicht die Beziehung auf Dinge und 
Personen, soweit sie bloß gedanklich aufgefaßt wird. Das 
ist für die künstlerische Gestaltung nur Stoff; es ist leibhafte, 
nackte Prosa, das heißt Unkunst, wenn nicht das hinzukommt, 
was man die innere Gestaltung ‚nennen kann; welches ur- 
sprünglich gar nicht liegt in dem gestalteten Ding, sondern 
rein in dem Ursprung der Gestalt aus der gestaltenden und 
in die gestaltende Tätigkeit sich selbst hineinsenkenden 
Seele. 
Also, es ist nicht der Gedanke, als gedacht, der das 
Dichterische des Gedichts ausmacht; der würde sich nicht nur 
ebenso gut, sondern reiner in Prosa geben lassen und dann 
von niemand für etwas Künstlerisches angesprochen werden. 
Sondern es ist gleichsam die Zeichnung, ich‘ möchte sagen
	        
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