Full text: Sozialpädagogik

— 360 
dabei nicht überschwänglich werden, so bedarf er des Rüst- 
zeugs der Kritik, jener Selbstkritik ästhetischer „Urteils- 
kraft“, wie sie Kant und Schiller uns verstehen gelehrt haben. 
In ihr findet die ästhetische Bildung ihren Abschluß im gleichen 
Sinne wie die theoretische in der Kritik der theoretischen, die 
sittliche in der der sittlichen Vernunft; ihren Abschluß nämlich 
in dem Sinne, daß die Zeit der Schulung damit sich vollendet, 
deren Gewinn aber durchs ganze Leben sich erhalten und 
mehren und sichern soll. 
So bewährt sich durchgehends die Harmonie der drei Grund- 
kräfte der Bewußtseinsgestaltung auch im Stufengang der 
Erziehung, so wie es nach ihrem inneren Verhältnis zu einander 
auch erwartet werden durfte. Auf Einzelausführungen: ver- 
zichte ich, so lockend die Aufgabe ist, und so dienlich sie sein 
möchten, unsern Schlußfolgerungen, die hier allzu ausschließ- 
lich deduktiv konstruiert erscheinen müssen, etwas mehr 
Glauben zu verschaffen. Nur angedeutet sei, daß für das naive 
Alter folgerecht die mehr naive dichterische und bildnerische 
Gestaltungsweise, also besonders die der Alten und was bei den 
Modernen dieser gleichartig ist, dagegen erst für die letzte 
Stufe die vollbewußte Weise der eigentlich modernen ästhe- 
tischen Schöpfung gehört; so wie in der Musik etwa für die 
erste Stufe Volkslied und Choral ausreichen, für die zweite 
die höchst formvolle, kunstverständige, in der Empfindungs- 
höhe aber noch fast kindliche Gestaltungsweise Mozarts, aber 
auch die ersten Elemente der wie naturgesetzlich gefügten 
Polyphonik Bachs, dagegen namentlich Beethoven sicher erst 
für die dritte gehört; womit ich nicht vermeine, irgendwem 
etwas Neues zu sagen, sondern nur darauf hindeuten will, mit 
welcher Sicherheit hier die Praxis den Weg von selber ein- 
geschlagen hat, den die verwegene Deduktion auch dann vor- 
zeichnen müßte, wenn er nicht der längst gebräuchliche wäre. 
So wird man uns auch nicht bestreiten, daß das scharf unter- 
scheidende Merkmal moderner ästhetischer Gestaltung. liegt 
in dem Durchgang durch die bewußteste Kritik, und dem seit 
unsrer klassischen Periode unaufheblich geschlossenen Bündnis 
der ästhetischen Schöpfung ‚mit der strengsten Arbeit der
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.