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noch immer nicht bloß nicht bedenklich findet, sondern für hoch
nötig, wohl gar für die einzige Rettung der gesunkenen Mensch-
heit hält, so daß ein aufrichtiger Kampf dagegen schon als
Friedensbruch, als Aufreizung zum geistigen Umsturz emPp-
funden wird. Allein wenigstens die Pädagogik hat schon längst
gegen solches Verfahren unerschrocken ihre Stimme erheben,
und sie muß es unermüdlich immer von neuem tun. Es fordert
nichts weiter als Ehrlichkeit gegenüber der tat-
sächlichen Lage, anzuerkennen, daß religiöses Verständ-
nis möglich ist ohne religiöse Überzeugung; daß das erstere von
jedem normal Gebildeten erwartet und in einigem Maße auch
verlangt werden kann, das letztere nicht.
Daraus ergibt sich die Forderung eines „undogmatischen“
Religionsunterrichts jedenfalls für die öffentliche und all-
gemeine Erziehung, neben welcher, solange die patria potestas
im bisherigen Sinne in der Erziehung gilt, eine, sel es ganz
private oder korporative religiöse Erziehung im Sinne der
einzelnen Bekenntnisse allerdings nicht ausgeschlossen werden
kann. Auf dem Boden des Verständnisses ist Gemeinsamkeit
möglich und wird immer möglich bleiben, auf dem Boden der
Überzeugung ist sie zur Zeit ausgeschlossen; das allein müßte
in unserm Sinne entscheiden, da die Gemeinsamkeit eine zu
wesentliche Bedingung nationaler Erziehung ist, um je wieder
aufgegeben werden zu können, selbst wenn dadurch (was ich
nicht zugebe) eine erträglichere Lösung der religiösen Frage
ermöglicht würde?).
Daß auch das Tiefste der Religion, die Erlösungslehre, dem
nicht religiös Überzeugten dennoch verständlich sein kann,
dafür genügt es, sich auf die Wirkungen der gewaltigen künst-
lerischen Darstellungen, etwa der Matthäuspassion oder der
H-moll-Messe Bachs zu berufen. Das ist aus den tiefsten Tiefen
des religiösen Gemüts geschöpft, wie wohl nicht leicht einer
wird leugnen wollen, und doch ergreift es den nicht religiös
Überzeugten mit nicht geringerer Gewalt; jede innerste Regung
1) Dies "entscheidet auch gegen Dörpfelds „Familienprinzip‘“, dessen
ernste Schwierigkeiten übrigens der ehrliche Mann selber mehr hervor-
gekehrt als verdeckt hat.