1997 MELKE — MELKEN
der vor mit barmung nye hete getropfet,
der ist mit gnaden nu worden melk,
des wurden wir alle von einer jungkfraw selig.
ROSEnPLÜT vom priester und der fruwen,
ms, Dresd, 50, s. 34;
mundartlich in den sette communi von mild-regnerischem wetter :
de zait ist süze un melch, # tempo € dolce ed inclinato a pioggia.
sitzungsber. der Wiener akad. bd. 15 (1855) s. 208°; alem. melch
vortheilhaft, nützlich STALDER a. a. 0.; auch in Ostfriesland melk
von einem prozess der viel einbringt, für die advocaten beson-
ders ertragreich ist; dann aber feuchtigkeit ausflieszen lassend,
min nöse (nase) is melk. TEN DoornKAAT-KOooLMAN 2,588;
westfäl. de halken (bodenraum) werd melk, es wird abagedroschen.
WoEstE 18°. 178°.
MELKE, f. 1) die handlung des melkens, bair. die melch
ScHM. 1, 1591 Fromm. ; ebenso tirol. SchHöpr 432; der chan . . he-
fahl allen, zur zeit der stutenmelke sich wieder hier zu ver-
sammeln. didaskalia vom 29. juli 1873;
eutern, die sich zur melke dehnen.
ÖvErBucK Virgils hirtenged. 69:
auch die zeit des melkens, hier die zeit des ersten melkens:
und süsz ist das fleisch des zickleins, bis zu der melke,
ders. ged. 165 (nach Theokrit id. 1,6).
2) in Appenzell auch das euter in beziehung auf das melken :
die chue hed e schöne melcha, sie ist gut und angenehm zu
melken. ToBLER 315°.
MELKEIMER, m. eimer, in welchen gemolken wird.
MELKEKUH, s. melkkulh.
MELKEN, verb. mulgere.
1) das starke verbum ist ein den westlichen indogermanischen
völkern gemeinsames wort. im gothischen nicht erhalten, im alt-
nordischen durch ein denominativ mjölka von mjölk milch er-
setzt, wie auch im engl. milk als gleiches denominativ an stelle
des ags. melcan getreten ist; fries. melka; niederd. niederl. mel-
ken, für alts. melkan zeugend; ahd. melchan, mhd. melchen;
die urverwandten europdischen sprachen zeigen entsprechend griech.
dushyeır, lat. mulgere, altbulg. mlösti, präs. mlüza, litt. milsti,
präs. melzu, melken, während die asiatischen im sanskr. marg,
margati wischen, streichen, streifen, streicheln , send. marez,
marezaiti streifen, die zweifellos ältere bedeutung desselben wortes
bewahren, aus der sich bei der trennung beider sprachengruppen
jene europdische noch nicht entwickelt hatte.
2) die oberdeutsche lautstufe zeigt, wie das ahd. mhd., noch
heute das im alemannischen und bairischen sprachgebiete geltende
melchen, neben dem alemannisch auch der kehllaut in der form
inelen, mälen (STALDER 2, 207) schwindet, während bairisch doch
auch melken neben melchen erscheint. Scum. 1,1591 Fromm.;
schon im späteren mhd, ist inneres k theilweise aufgekommen, und
hat um sich gegriffen: mulgare, mulgere melken neben melchen
DıiEer. 370°; melken, melchen, mulgare, mulgere. voc. inc. theut,
„bh
no Ruodolf malc sin kuo.
HapıLauB in Bartsch hederd, 274,237;
kuo Bluemle sprach zuom stiere: ich muosz dir jemer klagen;
mich wolt ein schwäbscher herre gemulken haben.
Lied von der Sempucher schlacht in Wackernagels
leseb. 1 (1873), 1299, 10;
heute findet man melchen in der schriftsprache nur noch bei
schriftstellern von ausgeprägter mundartlicher färbung: am morgen
ging es eine weile, bis Hans Joggi von hause weg kam. be-
greiflich molch er zuerst. J. GoTTHELF schuldenh, 167 (neben
er melke seine kuh. 307).
3) die ablautverhältnisse des verbums zeigen sich reiner in deı
älteren sprache, in der neuern gestört und theilweise durch ein-
dringen schwacher form zerrütlet. präs.ich melke, du milkst,
er milkt: sie..milkt die kue. LurHER 1, 489°;
sie macht ein feuer auf, ist mühsam und geschwinde,
lauft hin und milkt die küh so bald als das gesinde.
Öpırz 1,157,
wird noch von GotrscHED (kern der sprachkunst 1753 s. 157)
ausschlieszlich angegeben, doch im imperativ melk, erst ADELUNG
stellt melke, melkst, melkt als richtiger hin. das prät. malk
in quellen bis zum ausgang des 16. jahrhunderts: als ich denn
zü der Hohen Senen oft gesehen, da die knecht ausz den
frauwenzimmern dem höuwmarkt zü liefend, die eseltreiber
und pauren mit gält erbaten, dasz sy innen die esel mal.
kend. ForErR fhierb. 43°;
ich kam zu einer peurin, die malk, fastn. sp. 274,6;
wie nd.” he messede den stal, he malk de koe. 972,30;
später molk, plur. molken, nach dem part. gemolken; conj.
orät. mölke für fFrüheres mülke-
MELKEN 1998
und ist deuken ein unnütz mühe,
als wenn einr mülk und het kein kühe,
B. WaLDis Esup 4,80, 128;
ıeben der starken form, die sich noch weit in den mundarten
hält (auch niederd.: melken, mulk WoEstE 173. SCHAMBACH
33°; ostfries. melken, mulk, mulken TEN DoornKAAT-KooLMAN
„ 588°) erscheint die schwache: bair. part. gemelcht neben gemol-
hen und gemolken Scum. 1,1591 Fromm.; und in der schrift-
sprache schon seit dem 17. jahrhundert: den hock melkte.
SCHUPPIUS 422; während dasz sie ihre ziegen melkte. WIELAND
61;
die hirtin melkt und sang und spann, Voss 4, 170;
weitere beispiele im folgenden.
4) melken heiszt einem euter milch entziehen: mälchen, die
nilch auszhinziehen, als von einer kü, mulgere. MAALER 281° ;
ne object? in ein geschirr mälchen, immulgere. ebenda; ich
habe einen ganzen stotz voll gemolken, mulctram complevi
wpresso lacte. STIELER 1265;
hört wie es mir eins mals ergieng
gen einer paurenmeid, weil sie malk. fastn. sp. 331,81;
wenn die schweren kühe brüllen,
gern die blanken eimer füllen,
und die dirne melkend singt. STOLBERG 1,232;
der infinitiv substantivisch: er fürchtete, wenn er leicht gesäumt
werde, so komme er nicht zum melken heim. J. GorrHeLrF
schuldenb. 187; um das melken der kühe zu überwachen.
G. KELLER leute von Seldwyla 2, 168;
dieweil die maid im melken sitzen. fastn. sp. 386,19;
eine kuh, eine ziege melken: die magt milkt die kuh, ancilla
pr&sat palmis ubera vaccae. STEINBACH 2, 72; die esel werden
-n Frankreich, Italien und anderer orten gemolken, und die
nilch den lungensüchtigen zur arznei gebrauchet; so pliegen
uch die Tartarn ihre pferde, die Samojeden ihre rennthiere,
ınd die Araber die cameele zu melken, öcon. lex. 1592; die
einwand ist begossen, die kühe sind gemolken. GÖöTHE 11, 3;
ıne junge, im blauen gewand kniende frau schaut, eine
-iege melkend, aus dem bilde heraus. 39, 195;
jetzo sasz er und melkte die schaf und meckernden ziegen,
Odyss. 9,244;
nilch melken: hastu mich nicht wie milch gemolken, und
wie kese lassen gerinnen? Hiob 10,10; und wird so viel zu
nelken haben, das er butter essen wird, Jes. 7, 22; die milch
n eine gelde melken, immulgere lac muletrae. STEINBACH 2, 72;
‚orwärts liegen und sitzen drei knaben um eine schale, eben
zemolkene milch schlürfend. GörHE 39, 195;
wic schaafe des reichen manns in der hürde,
zahllos stehen, zur zeit, da die weisze milch gemelkt wird.
BürGEr 218° (1. 4,434);
jelten dieses melken in bezug auf menschen: item wo aher
las kindtlein so kürzlich ertödt worden ist, dasz der mutter
lie milch in den prüsten noch nit vergangen, die mag an
ren prüsten gemolken werden; welcher (cui) dann in den
ırüsten recht vollkommene milch funden wirdet, die hat
leszhalb ein stark vermutung peinlicher frag halber wider
ich, Carolina art. 36; hinein melken, als die mutter bisweilen
len säuglingen in die augen oder in die nasen, immulgere.
"RISCH 1, 658°; vergl. dazu unter 5.
5) melken auch milch geben, zumal im part. präs. melkeud:
5 ich sihe ihn, der mir nützer ist dann ein melkende ku.
A, v. EyxsE Menächmi 98°; da luffen drei wild hindtin zu mit
nelkenden eutern. heiligen leben 1472 31°; ein paar melkende
ziegen einfangen. Felsenb. 1,229; doch auch sonst: das vieh
riszt um ein dritte] weniger, und mölkt um die hälfte besser.
1öserR patr. phant. 1,346; ein niederd. sprichwort ist de kau
nelkt dör den hals. ScHAMmBAcH 133°, je nachdem sie friszt,
7ibt sie milch; vom hlutmelken oder seichen (der kühe). COLEK.
ıausb. 295, wenn die kühe beim melken blut geben.
Auch hier (wie oben 4) bisweilen von menschen? da musz man
sich umthun und befleiszigen, das man ehrliche ammen be-
kommen und haben möge, nicht melkende megde, welche
in die nüsse gegangen seind. MarTues. Syrach 2, 126°;
und saugende kind und melkend ammen:
die ding fuegen gar wol zusamen.
KELLER Aute alte schwänke nr. 9 18,
vergl. dazu milchen,
6) melken, an die bedeutung 4 angeschlossen, in mancherlei
3ildlichem gebrauch. einen melken, ihm vermögen entziehen,
‘ürol. melchen, ausbeuten, nehmen, einem das geld abspielen,
herauspressen., dann auch lanasam tronfenweise arbeiten oder