2079 MENSCHHEIT
»gl. mhd.: daz er saz .
bi ir und ouch etewenne greif
mit der hant
tin dä wir daz suochen
1ä mit wir unser mennescheit beruochen.
NEIDHART 44,14;
nach seiner gebrechlichkeit , sterblichkeit: das lange stehen er-
innerte mich an meine menschheit. HırpeL 12,134; unsere
sachen stehen gut; aber ich fürchte, die rache des himmels
wird mich für dieses verwegene gaukelspiel strafen und
diesem thörichten haufen meine schwache sterbliche mensch-
heit früh genug offenbaren (worte Gustav Adolfs). SCHILLER 962”,
wenn, wie Olympie sich hat ümm mich gewunden,
so ich sie wiederümm in die zwei arme schlosz:
wie seelig war ich da? wie aller menschheit losz!
FLEMING 661;
hier muszt er der menschheit erliegen;
oder ihn muszte mit mächtigem arm der helfer erheben!
und der erbarmende thats. der schwache sterbliche fühlte
sich der erde gewaltig entrissen.
KL.OPsTOCK 5,344 (Mess, 15, 442);
auch seinen sittlichen mängeln (wofür mehr menschlichkeit.
s. d.): mein freund, rief ich aus, der mensch ist mensch,
und das biszchen verstand, das einer haben mag, kömmt
wenig oder nicht in anschlag, wenn leidenschaft wüthet,
and die gränzen der menschheit einen drängen. GÖTHE 16, 72;
bis, wann er (der weise) itzt entfernt von irdischen begriffen,
im weiten ocean der gottheit wagt zu schiffen,
vernunft der leitstern fehlt, und er aus menschheit irrt.
HaLLER 59 (später geändert: aus blindheit,
s. Hirzels Haller s. 309);
der tod hat eine reinigende kraft,
in seinem unvergänglichen palaste
zu ächter tugend reinem diamant
das sterbliche zu läutern und die flecken
der mangelhaften menschheit zu verzehren.
SCHILLER braut von Messina v, 2738:
nach seinem inneren wesen schlechthin: der fischer des herrn
Dusch ...ist das gröszte menschliche ungeheuer, das je
gewesen oder erdichtet worden. er kömmt an den strand
und entdeckt ein verunglücktes schiff; er entdeckt, dasz
vielleicht hundert andere durch den sturm hundertmal mehı
verloren haben, als er selbst. was hätte diese entdeckung
bei ihm wirken müssen, wenn ihm schöpfer Dusch nur einen
funken menschheit gegeben hätte? hätte sie seine verzweif-
lung nicht noch höher treiben müssen? LEssinG 6, 110; alle
vorgefühle, die ich jemals über menschheit und ihre schick-
sale gehabt, die mich von jugend auf, mir selbst unbemerkt
begleiteten, finde ich in Shakespears stücken erfüllt und ent-
wickelt. GörmE 19,310; häufiger aber wird unter menschheit
das bevorzugte innere wesen des menschen verstanden, das als
eine würde aufgefaszt ist: die menschheit selbst ist eine
würde. KANT 5, 305;
der menschheit würde ist in eure hand gegeben.
bewahret sie!
sie sinkt mit euch! mit euch wird sie sich heben!
SCHILLER die künstler v. 443;
die zu achten ist, aber auch verachtet wird: achtung für die
menschheit in der person des missethäters. KAnrT 5,127
der Paria kann füglich als symbol der herabgesetzten, unter-
drückten, verachteten menschheit aller völker gelten. GöTHE
45, 342; diese menschheit als stufenförmig gedacht? wie, wenn
uns endlich alles überführte, dasz der mensch auf der ersten
und niedrigsten stufe seiner menschheit, schlechterdings so
herr seiner handlungen nicht sei, dasz er moralischen gesetzen
folgen könne? LeEssınG 10,325; ich wünsche glück denen die
..ihre augen ..nach dem alterthum wenden, wo ganz allein
für die höhere menschheit und menschlichkeit reine bildung
zu hoffen und zu erwarten ist. GÖTHE 46,53;
da gott mir höhere menschheit gönnte,
mag ich die täppischen elemente
nicht verkehrt auf mich wirken lassen. 3,264:
oder sie heiszt innig, rein, schön, tief, ganz wu. d., bezeich-
nungen, wie sie auch für das menschliche gemüt gelten: das
ideal der reinsten menschheit, unter welchem ich mir die
person unsers ersten meisters dachte. WIELAND 28,32; auS-
gedehnte menschheit und moralische kraft. KLINGER 7, 152;
sie leben doch noch ganz in dem gefühl der innigsten,
reinsten menschheit. GÖöTHE 10, 148; wem ererbte reichthümer
eine vollkommene leichtigkeit des daseins verschafft haben,
wer sich, wenn ich mich so ausdrücken darf, von allem bei-
wesen der menschheit, von jugend auf, reichlich umgeben
indet, gewöhnt sich meist. diese güter als das erste und
MENSCHHEIT 2080
ıröszte zu betrachten, und der werth einer von der natur
ıchön ausgestatteten menschheit wird ihm nicht so deutlich.
‚9,17; wer alles und jedes in seiner ganzen menschheit
hun oder genieszen will, wer alles auszer sich zu einer
solchen art genusz verknüpfen will, der wird seine zeit nur
mit einem ewig unbefriedigten streben hinbringen. 20, 250;
nNzwischen geschehen kühnere griffe in die tiefere mensch-
heit. 31, 4;
aus der bezaubernden einfalt der züge
leuchtet der menschheit vollendung und wiege,
herrschet des kindes, des engels gewalt.
ScHILLER würde der frauen, im
musenalm. 1796, s. 192;
sie steht gegenüber standes- oder gesellschaftlichen begriffen (vgl.
mensch 8, e): siehst du, guter Diokles, wir sind hier alle
nichts als menschen, und die menschheit ist das einzige was
wir an einander hochachten und lieben. WiELAND 25, 315;
was nicht menschheit ist, ist zufällig an dem menschen.
SCHILLER hist. - krit. ausg. 10, 151; alles beruht hier auf all-
zemeiner gesunder menschheit, welche sich in verschiedenen
ıbgesonderten charakteren neben einander als die totalität
2iner welt darstellen soll. GörHE 46,126; im gegensatz zu
;olchen: mein entschlusz und das vorurtheil! wir wollen
;ehen, ob die mode oder die menschheit auf dem platze
ıleiben wird. ScHiLLER kab. wu. liebe 2,3; die könige, prin-
‚essinnen und helden eines Corneille und Voltaire vergessen
hren rang auch im heftigsten leiden nie und ziehen weit eher
hre menschheit als ihre würde aus. hist.-krit. ausg. 10, 151;
menschheit als das allgemeine gefühl der menschen für die
menschen (vergl. dazu unter mensch 8, e zu ende, sp. 2027),
wofür jedoch gewöhnlicher menschlichkeit gilt: menschen haben
nenschheit vor mir verborgen, da ich an menschheit appel-
lirte; weg denn von mir, sympathie und menschliche scho-
aung! ScHILLER räduber 1,2; wir sehen ihn (Philipp IT) gegen
ı1atur und menschheit ankämpfen, die er nicht ganz besiegen
kann, zu stolz, ihre macht zu erkennen, zu unmächtig, sich
hr zu entziehen .. wir trauern über seinen misverstand, weil
wir auch selbst aus dieser verzerrung noch züge von mensch-
1eit herauslesen, die ihn zu einem der unsrigen machen,
weil er auch blosz durch die übrig gebliebenen reste der
nenschheit elend ist. briefe über don Carlos, 9. brief; und
sein mädchen? er fühlte menschheit! er glaubte an mensch-
heit, und nahm sie mit. GörHE 10, 189; ich glaube an mensch-
heit. 14, 99;
der jüngling, der mit partheyischem hasse
über das andre geschlecht itzt heftge verwünschungen dachte,
konnte doch nicht das gefühl der edelsten menschheit ersticken,
und erlaubte, die schöne nach seinem wagen zu bringen.
ZACHARIÄ Lageszeiten (1757) s. 80
so furchtbar ihn der ruf von seinen siegen schildert —
er ist ein mensch; er kann nicht taub für menschheit sein;
ler herrlichste triumph des helden ist — verzeihn,
GOTTER 2,432.
2) menschheit, gesamtheit der menschen , wie mhd. menne-
scheit :
er sol verscheiden ame tage
an dem durch al die mennescheit
got die vröne marter leit, K,v. WÜrzBURG Alezius 827;
in einzelnen fällen in weniger scharfer hervorhebung des persön-
lichen und collectiven, so dasz die vorige bedeutung des wesens
1och deutlich im hintergrunde steht: aber der versuch, ein
schattenbild . . nachzuzeichnen oder nachzubilden, hat nichts,
das die kraft der menschheit übersteigt. WIELAND 24, 231;
ain vorurtheil, das nur aus stolz oder hasz flieszen kann,
ınd die Juden nicht blos zu rohen menschen macht, son-
lern sie in der that weit unter die menschheit setzt. LESSING
„219; hier und da fehlt es (in den jesuitenkirchen neben ehr-
'urcht einflöszendem und blendendem) auch nicht an etwas ab-
zeschmacktem, damit die menschheit versöhnt und angezogen
werde. GÖTHE 27,9;
freund, du kennst doch die goldene zeit? es haben die dichter
manche sage von ihr rührend und einfach erzählt,
jene zeit, da das heilige noch in der menschheit gewandelt.
SCHILLER hist.-krit, ausg. 11,68 (der genius; später
dafür im leben gewandelt);
der dasz dieselbe für jene hervoraekehrt werden kann, wie da,
wo auf die klage:
alles opfert ich hin, sprichst du, der menschheit zu helfen,
lie bedeutung des zunächst persönlich und collectiv gemeinten
worles auseinander gelegt wird in menschliche art, menschliche
21erson und menschenaeschlecht -