2087 MENSCHLICH — MENSCHLICHKEIT
als subst. neutr. das menschliche, was das wesen des wahren
menschen ausmacht:
wenn aber nun vom scheine
las herz sich abgekehrt
und nur das echte, reine,
das menschliche begehrt. UHLAND ged, 46;
menschlich adverbial: dasz er (Klopstock)...in dem hause
eines groszen, und auch menschlich (was sein wesen als
mensch betrifft) hetrachtet, fürtrefflichen staatsmanns eine
zeit lang wohl aufgenommen war. GörHE 25, 292; die lust
zu leben, zu wirken, menschlich edel und gutthätig, ver-
gnügt zu leben. HERDER z. phil. 3, 110;
in die stillere wohnung .
wo sich, .nah der natur, menschlich der mensch noch erzieht,
GÖTHE 1,331;
hat unter dieses purpurmantels prangen
ein hohes, königliches herz geschlagen,
ein herz, erfüllt von heiligem verlangen,
von reger kraft, in weitesten bezirken
belebend, hülfreich, menschlich grosz zu wirken?
UHLAND yed, 147.
9) menschlich, vorzugsweise mitgefühl, schonung, erbarmen
nes menschen gegen andere hervorhebend (vergl. mensch 8, €
zu ende, sp. 2027); es heiszt ein menschliches gefühl, eine
menschliche behandlung w. ähnl.; ein menschliches herz
gegen andere haben;
(bei) dem wahn, du tragest ein menschliches herz,
bei deiner Cains-bruderschaft
beschwöre ich dich und nöthige
dich selbst dir eigne hölle zu sein! Görtse 3,211;
und zum könige bringt man die wundermär,
der fühlt ein menschliches rühren.
ScHILLER bürgschaft v. 132;
menschlich sein: das ist nicht menschlich, inhumanum hoc
est, omnem humanitatem excedit. StTIELER 1240; unter den
sachwaltern als den jüngern, sodann unter den richtern als
den ältern, verbreitete sich der humanismus, und alles wett-
eiferte, auch in rechtlichen verhältnissen höchst menschlich
zu sein. gefängnisse wurden gebessert, verbrechen ent-
schuldigt, strafen gelindert. GöTHE 26,192;
allerschönste, bist du göttin,
bist du menschlich, so verzeihe, TiEcKk Octav. s. 278
menschlich adverbial: o himmel! strafe menschen mensch-
lich, wenn sie dich reizen. ScHILLER kab. u. liebe 3,6;
ihr quält das kind zu sehr...
das nenn ich menschlich nicht verfahren,
H, v. Kıeist Kdthchen von Heilbr. 1,2
vergl. unmenschlich.
10) menschlich, was von menschen getragen, erlitten werden
kann: ich lies sie ein menschlich joch zihen. Hos.11,4; es
hat euch noch keine, denn menschliche versuchung betretten.
aber gott ist getrew, der euch nicht lesset versuchen, uber
ewer vermögen, sondern machet, das die versuchung so ein
ende gewinne, das jrs künd ertragen. 1 Cor. 10, 13; auch für
menschen annehmbar, menschenwürdig: das sind keine mensch-
lichen zustände mehr; wir gelangen zu einer etwas gröszern
hüttenversammlung, die man vielleicht hätte ein dorf nennen
dürfen; in einiger entfernung davon auf einem freien hügel
stand eine capelle, und es fing schon an wohnlicher und
menschlicher auszusehen. GöTHE 23, 56.
MENSCHLICHEN, adv. wie menschlich: menschlichen, wie
as einem menschen gebürt und züstadt, humane. MAALER 288°.
MENSCHLICHKEIT, f. menschliches wesen , menschliche art,
mhd. menschlicheit: menschligkeit, humanitas MAALER 288°;
nach den verschiedenen bedeutungen des adj. menschlich.
1) menschliches wesen, menschlicher zustand im allgemeinen
(veral. menschlich 1}-
wo seid ihr schönen stunden,
da noch ein blumenstrausz, von werter hand gebunden,
ein pfand der liebe war? die neigung schätzte nur
an herzen und geschenk die einfalt der natur,
nun hat ein schnödes gift die menschlichkeit verletzet,
dasz man sich gold und stein zu seinem abgott setzet.
DROLLINGER 71;
in den begriff des lebens und bewustseins übergreifend:
| da sah er vor sich, in rauchendem blute
einen mörder, der sich erwürgte. der schrei der verzweiflung,
jammernde seufzer der wiederkehrenden menschlichkeit füllten
jeden hügel umher, KropstacK 3,266 (Mess. 5,432);
nach der duszeren gestalt: von dem höchsten begriffe der
menschlichkeit zu reden. WINKELMANN 4,37, er meint die sich
am menschen ausprägende schönheit; im gegensalze zum wesen
der geschöpfe höherer art (veral. dazu menschlich 2): dessen
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ungeachtet ist es (das system, dasz der körper gleichsam der
kerker des geistes sei) doch nichts mehr als eine schöne ver-
irrung des verstandes, ein wirkliches extremum, das den
einen theil des menschen allzu enthusiastisch herabwürdigt
und uns in den rang idealischer wesen erheben will, ohne
uns zugleich unserer menschlichkeit zu entladen. SCHILLER
hist.-krit. ausg. 1, 142.
2) menschlichkeit, mit hervorhebung der schranken, die dem
menschlichen wesen gezogen sind (vergl. menschlich 3): natur
‚.zu dir flüchte ich dieses liebende herz — tritt zwischen
meine menschlichkeit und den menschen. ScHILLER menschen-
Feind, 7. scene;
seiner menschlichkeit vergessen,
wagt des mannes eitler wahn
mit dämonen sich zu messen,
denen nie begierden nahn. würde der frauen,
3) oder schärfer, mit hervorhebung des gebrechlichen, schwachen
der menschennatur (vergl. menschlich 5 und 6):
(du) wirfst den fehdehandschuh vor mich hin,
ha! schauerte nun auch die menschlichkeit,
wie Hektorn vor dem Ajax und Achill,
vor dir mich an; hüb ich ihn doch empor. BÜRGER 41‘;
und hier vereinzelnd eine menschlichkeit, plur. menschlich-
keiten, von dem falle, in welchem sich solche schwäche zeigt:
sinem verwandten genie, dem Thomson, ist die nehmliche
menschlichkeit begegnet (sich auf ein falsches gebiet zu ver-
rren). ScHILLER hist.-krit. ausg. 10, 472; indem ich die geo-
‚raphie der gegenden, wo meine geschöpfe sich aufhielten,
itudirte, und zu jenen trockenen localitäten allerlei mensch-
ichkeiten hinzu erfand, die mit dem charakter der personen
ınd ihrer beschäftigung einige verwandtschaft hatten. GöTHE
M, 196; es bedurfte wieder einen eben so gründlichen ernst,
in eben so entschiedenes talent als des groszen alten, um
ıns ähnliche persönlichkeiten und charaktere mit leichter
‚edeutenheit vorzuspiegeln, indem einer spätern menschheit
ıeuere menschlichkeiten durchschanhar vorgetragen werden.
16, 10.
4) menschlichkeit, das hohe, eigenartige des menschlichen
vesens hervorhebend, wie es sich im denken und empfinden zeigt
vergl. dazu menschlich 8): wobei die menschlichkeit in un-
'erer person unerniedrigt bleibt, obgleich der mensch (das
ndividuum) jener gewalt unterliegen müszte. KAnrT 7,113;
im alterthume) wo ganz allein für die höhere menschheit und
nenschlichkeit reine bildung zu hoffen und zu erwarten ist.
5ÖTHE 46, 53; hunger und durst zu löschen, wird der mensch
haten thun, worüber die menschlichkeit schauert, er wird
wider willen verräther und mörder, er wird kannihal. SCHILLER
hist.-krit, ausg. 1, 149;
der richter der welt erhub die rechte; da stürzten,
schmetterten donner herab auf die beiden groszen verbrecher
(führer wilder heere)!
lange hallt es den hochverräthern der menschlichkeit nach.
KıoPstocK 6,23 (Mess. 16,313) :;
und gerührt zu der herrscherin füszen
stürzt sich der menge freudig gewühl, :
und die rohen seelen zerflieszen
in der menschlichkeit erstem gefühl.
ScHILLER das eleusische fest;
O0 schöner tag, wenn endlich der soldat
ins leben heimkehrt. in die menschlichkeit !
Piccolomini 1,4;
betrug ist überall und heuchelschein,
und mord und gift und meineid und verrath;
der einzig reine ort ist unsre liebe,
der uneniweihte. in der menschlichkeit. _
Wallensteins tod 2,7;
'wir haben) über Europa geschwatzt und Amerika, jenes im dunkel.
lies im tagenden lichte der menschlichkeit! Voss Luise 2, 146;
hat mich der krieg, der mich erzogen,
als er das land umher zu grabe trug,
um meine menschlichkeit betrogen? SzEume ged. 114;
völlig grundlos sagen uns die kritiker,
die tragische kunst vertrüge nichts dämonisches,
ınd blos der leidenschaften reine menschlichkeit.
PıATEN 281.
5) menschlichkeit, mit betonung des mitgefühls, erbarmens,
ler schonung (vergl. menschlich 9): mitfreude und mitleid..
ıls mittel zu beförderung des thätigen und vernünftigen wohl-
wollens zu gebrauchen ist eine besondere pflicht unter dem
namen der menschlichkeit (humanitas). Kant 5,291; beim
anblick des elenden brotes ..thränen der menschlichkeit zu
weinen. WıELAND 7,161; nur wollte ich, im nahmen der
menschlichkeit, bitten, einige sorge dafür zu tragen, dasz
lie armen leute besser genährt würden. 29, 136: menschlich-