2691 MUNDLICH — MUNDÖFFNUNG
scherzhaft auch mündlich küssen:
Phyllis schickte Thyrsis zu, durch ein brieflein einen kuss,
unter wegens ward er kalt, bracht ihm so nicht viel genusz:
drum so schrieb er, wann sie wolte, solte sie zwar schriltlich
grüszen,
immer aber selbsten kummen wann sie wolt, und mündlich
küssen, LocaAU 3,86,54;
und mündlich sehen: da ich sie bald (mit Winny Jenkins zu
reden) mündlich sehen werde. WIELAND in Böttigers liter.
zuständen 2, 170.
Die adverbialform mündlichen dauert noch im 17. jahrh.: rette
mit om muntlichen dise wort. Köniz 38, 32; unde hat on frunt-
lichen, das her zu om queme, das her sich muntlichen mit
om erkosen mochte. Rorue dür. chron. 293; das alles munt-
lichen zu sagen. d. städtechron, 10, 431 anm. 2; mündtlichen rede
ich mit jhm. db. d. liebe 300°; was der bräutigam mündlichen
zugesaget und versprochen. HOHBERG 3, 2, 40°
MUNDLICH, MÜUNDLICH, adj. was munden kann, schmackhaft,
vergl. anmündlich fh. 1, 408; von einem mädchen, anmaulig, nett:
bringt mir mägdlein hold und mundlich
zu dem wein! ARNDT ged, (1840) 323.
MÜNDLICH, adj. wie mündig, majorenn: mündliche kinder.
ScHM. 1, 1623 (aus der Wirzburger landger.-ordn. von 1618).
MÜNDLING, m. 1) der unter der gewalt eines andern ist,
schützling; ahd. mundiling, vergl. Grımm rechtsalt. 311; später
im sinne von mündel, und vielleicht daraus aufs neue hervor-
gebildet; wie es aber nu für ein kirchenraub und für das
höchste bubenstück gehalten wird, wenn ein vormund seinen
mündling veruntrauet. MATHEs. Syr. 1, 124; in freierem, nicht
rechtlichem sinne: so lang er (der jugendliche kaiser) als münd-
ling unter ihnen gespielt, sich alles gefallen hiesz nach ihren
willen, war er ein wackerer, trefflicher herr... aber nun, da
der kaiserliche jüngling heranwächst . .. Fr. MÜLLER 1,192; es
läszt verdächtig, wenn ein roher mündling eben da die gröszte
klarheit entdeckt, wo die Bayle zweifeln und die Leibnize
vermuten, Sturz 1,178:
laszt sie
des volkes väter sein, das immer kind
und mündling bleibt. STOLBERG 4, 225.
2) mündling, auch der vormund, schützer?: auch teilent die
hubener, das die vorgenanten huhen kein geistlich man keüfen
sall, es enwere dann, das sye off yne ersturbe, oder vorhyene
in siner hand hette, ee er geistlichen wurde, der sal sye be-
halten und sall einen mondeling setzen über sich, nicht unter
sich. weisth. 1, 500 (Dreieich im Isenburgschen, von 1338; im
wiederabdruck 6,398 mündeling); auch ist geteilet, welche herre
eine wilthube hat, der sall einen edelnmann haben zu einem
mondelinge. 502 (mündelinge 6, 400).
MUNDLOCH, mn. 1) loch für den mund: mundloch einer
flöte, wo man den mund ansetzl. CAMPE.
2) loch als mündung eines dinges: ein grosz glas mit einem
weiten mundloch. TABERNAEMONT, 1033; mit einem strohalm,
welchen ich oben zu dem mundloch desz krügleins hinein
stiesze. Laz. de Tormes (1617) 22; mundloch, orificium uteri:
das inwendige mundloch ist nichts anders als die grenze der
beermutter am grund der scheiden und sihet aus wie die
schnauze eines kleinen neugebornen hündleins. Mauriceau
deutsch (1687) 35; mundloch des magens. ADELUNG; mundloch
eines ofens. ebenda; an geschützen: mundloch, os tormenti.
STIELER 1102; mundloch im bergwerk der eingang in den stollen,
im hüttenwerk die obere öffnung des probierofens. JAacoBsson
3, 101°; mundlöcher im glasofen, seitenöffnungen, durch die man
das geschmolzne glas schöpft. 6, 603°.
MUNDMANN, m. cliens. Frisch 1, 674°.
MUNDMEHL, n. feinstes weizenmehl, woraus die mundsemmeln
gebacken werden. Scham. 1, 1622 Fromm.
MUNDNAGEL, m. plattköpfiger nagel für dachdecker und
maurer. ein solcher wird vom arbeiter vor dem einschlagen im
munde gehalten. JacoBSsonN 3, 101°
MUNDNETZEND, part. den mund netzend: mundnetzende
birn bei NEMNICH name einer saftigen birnenart, franz, mouille-
bouche.
MÜUNDOBLATE, f. oblate zum sieqgeln der briefe. JACOBSSON
3,102. vergl. mundlack.
MUNDÖFFNUNG, f. 1) öffnung des mundes.
2) öffnung als mündung von etwas: apertura, die mundöf-
nung der ganzen schnecke, .. die mundöfnung einer blumen-
Xrone. NEMNICH 1,368; orificium (ani, uteri, urethrae u. s. w.)
mundöfnung 4, 785; mundöffnnng eines stollens., das mundloch
Aesccelhen.
MUNDPFROPF — MUNDSPRACHE 2692
MUNDPFROPF, m. pfropf der vor die mündung eines ge-
„hützes gesteckt wird, damit der lauf reinlich bleibe. JACOBSSON
102°
MUNDPOMADE, f. pomade, gebraucht um die lippen geschmeidig
u erhalten.
MUNDPORTION, f. was ein soldat an speise und trank em-
ofängt. JACOBSSON 6, 604°: die ersparte ausgabe der groszen
mundporzionen (wie denn jetzt ein gesunder soldat wirklich
30 viel zu essen krieget, dasz fast ein kranker damit zu er-
;ättigen wäre). J. PauL auswahl a. d. teuf. pap. 2, 227.
MUNDRATH, m. der einem fürsten nach dem munde ratet,
wie es ihm behagt: mundköch und mundräth sind bei hof in
3inem werth. Pıstorıus thes. par. 1, 64,
MUNDRAUB, m. raub, entwendung von eszwaaren, nament-
ich beim ein- und ausladen von schiffen. CAMpE.
MUNDRECHT, adj. wie mundgerecht: der Franzose, wie er
zich fremde ‘worte mundrecht macht, verfährt auch so mit
len gefühlen, gedanken, ja den gegenständen. GÖöTHE 6, 238;
ür die bühne ist es (das leben ein traum) wie ich glaube
licht geeignet, es ist den schauspielern nicht mundrecht.
+ EınsıeveL in Böttigers lit. zust. 2, 287.
MUNDREIF, m. reif an der mündung eines geschützes.
MUNDRICHTER, m. richter mit dem munde: ein richterampt
st ein köstlich und göttlich ampt, es sei der mundrichter oder
austrichter, welchen man den scharfrichter heiszt, LuTHER
3, 315%
MUNDROHR, nm. ein eisernes rohr mit riefen, um danach die
“chsenrohre inwendig zu riefen. JACOBSSON 3, 104°,
MUNDROSE, f. malva rosea, die rosenmalve.
MUNDRUBIN, m. mund unter dem bilde eines rubins:
der theure mundrubin, wem dieser kümt zu küssen,
der mag sich einen gott und keinen menschen wissen.
LocaAu 2, 69;
Ciris faszt jhn in der mitte,
küste seinen mundrubin. 3,8, 18.
MUNDSALZERIN, f. die für eines mund die speisen salzl
der würzt. Garg. 12°. s. die stelle unter mundkoch,
MUNDSCHAFT, f. verhältnis zwischen patron und clienten.
ScHM. 1, 1624 Fromm.
MUNDSCHENK, m. schenk für den mund eines; der zu trinken
@nschenkt ; mundschenke, venophorus STIELER 1761 ; mundschenk,
Kncerna, pocillator, der einem groszen herrn einzuschenken bestellt.
7rıscH 1,673°; der edelmann . .. bat den mundschenk (des
ischofs), er Müchte doch geschwind das gefäsz zum meister
tragen, damit es schnell wieder hergestellt würde. GÖTHE 34,64;
wer soll mundschenk sein? 11,119; .
der kurfürst hielt ein Jägermahl,
die gäste saszen dichtgereiht, und hörner schmetterten im saal.
der mundschenk gosz die gläser voll. FREILIGRATH dicht, 3, 106 ;
auch von einer weiblichen person;
(Zeus) schielt nach Hebens voller brust,
und wiegt, des wohlstands unhewauszt,
den mundschenk auf‘ dem knie, GOoTTER 1,62,
MUNDSCHLEIER, m. velum quo caput et os tegitur „orale.
USCH 1, 673%
MUNDSCHRAUBE, f. bei den chirurgen eine kleine art von
chrauben, um bei der mundklemme den mund von einander zu
‚ringen; auch mundspiegel. JAcoBSsoN 3, 102°.
MUNDSCHWENKUNG, f. das schwenken des mundes und die
Jüssigkeit dazu? gibt ein gute mundschwenkung zu den faulen
‚ähnen. Bock kräuterb. 44.
MUNDSEITE, f. in fürstlichen küchen diejenige seite, auf
welcher allein die speisen für die herschaftliche tafel zubereitet
werden, im gegensatz zur hofseite, wo für den hofstaat solche
'ubereitet werden, JAcoBSSON 3, 102°.
MUNDSEMMEL, f. semmel für die fürstliche tafel. Scnm. 1, 1622
Tromm.
MUNDSPALTE, f. rictus, die mit den lippen besetzte spalte
les mundes, NEMNICH,
MUNDSPATEL, m. spatel eines mundarztes, um damit einem
"inde die zunge zu lösen. JAcoBSSoN 3, 102.
MUNDSPERRE, f. die krankheit der mundklemme. bei J. PauL
ıber witzig für das fasten: ständ einer diese mund- und frucht-
;perre gar nicht aus. J. PauL auswahl a. d. teuf. pap. 2, 227.
MUNDSPIEGEL, m., wie mundschraube, s. d.
MUNDSPRACHE, f. mündliche verabredung, mündliches ein-
gehen von verpflichtungen: auf mundsprache, wechsel und der-
gleichen schulden kömmt es zur pfändung beweglicher güter.
MöseErR valrı phantı 2, 99.