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(eine frau) die von geschlecht ist hoch geporn,
und nie irn leumut hat verlorn, fustn. Sp. 693,25;
Jer mensch beraubt den mensch an dem, das jhm gegeber
von leumut, ehre, gut, gesundheit, wolfahrt, leben.
LoGAU 1,57,33;
dasz man, ohn gefahr,
des nächsten leumutlı raubt , und ihn dadurch verletzt.
Brockzs 4,99;
weil ich zugleich der weiber leumund rette.
HAGEDORN 2, 160;
ich geh zum herzog. heut noch werd ich ihn
auffordern, seinen leumund vor der welt
zu retten. ScHILLER Piccol. 5,3.
4) aber auch den bösen ruf: anno domini 1202 jar da bracht
herzog Rudolf von Bayern sein muetter in einen groszen
leinmuet mit einem ritter. d. städiechr. 1, 345, 4; (die zunge des
menschen) ist ein woffen zu liegen und zu triegen, feintschaft
leymut und alles ubel zu machen. A. v. EybE 18°;
blibit er in dem lümüde stann,
als mir die Jude sagen gemeine,
so gebe ich umb sin ere gar cleine.
Haupts zeitschr. 1,436 (15. jh.).
5) dıe neuere sprache braucht leumund wieder im sinne eines
umlaufenden gerüchtes, doch, eingeengier als die alte (oben 1),
nur, insofern es den moralischen ruf eines menschen beschlägt, und
hier manchmal personificierF: sie sann darauf, wie sie diesen
bösen leumund falscher zungen zerstreue. ARNIM kronenw.
1, 455; sicher hat der böse leumund mich verläumdet. schaub.
1,71; dasz schöne frauen aus bekannten gründen dem hösen
leumund am meisten ausgesetzt sind. H. HEINE 13, 159;
wer ist sie, die mein herz begehrt,
was lästernd auch der leumund spricht?
FREILIGRATH dicht. 2,86.
LEUMUNDEN, verb. in bösen ruf bringen (nach leumund 4);
iu sollst nicht leumunden! sagt das moralische nicht nur,
sondern auch das kunstgebot. HERDER z. lüll. 17, 99.
LEUNEN, verb. aufthauen, für läunen, vergl. unter lawine
sp. 395:
ir wiszt, die nacht ist niemants freunt,
doch so ir ie seit aufgeleunt,
so klopft an seuberlich und frölich.
FoLz klopfan, weim. jahrb. 2, 117.
LEUMUND — LEUTE
;gl. auch leinen sp. 705.
LEUNISCH, adj. s. unter launisch sp. 349.
LEUSCH, m. oder n., ‘in einigen stiromgegenden so viel, als
der aus flüssen, gräben und kandälen kommende schlamm, sand
und moder’. JacoBssonN 6, 454°. es ist das bair. lus, sumpf,
morast. Scum. 1, 1520 Fromm., schles. lüsche, fem. pfültze WELn-
u0LD Schles. wb. 55°; am Riesengebirge sind synonym gesümpe,
bruch, brüchtrich, pfütze, lüsche, pantsche, wossik. Fromm.
2,236. das wort scheint aus dem slavischen entlehnt: russ, luscha,
höhm. lauZe pfütze.
LEUT- in zusammensetzungen, s. auch leute-.
LEUTAUSRICHTER, m. der die leute schmäht.
LEUTAUSRICHTERIN, f.: leutausrichterin und fuchs-
sehwänzerin. MaTnHesius Syrach 3, 30°.
LEUTCHEN, plur., dim. zu dem folgenden, in traulicher,
ironischer, oder auch yerinyschätzender rede: möchen sie, dasz
die leutehen wegkommen. ich musz allein mit ihnen reden.
LESSING 1,364; weil der heutige sonntag auch esto mihi heiszt,
und mir dabei die lieben leutchen einfallen, deren devise das
esto mihi!..sein könnte! 11,592; die fakirn, wie neu auch
ihre bekanntschaft mit diesen jungen leutchen war, tbaten
schon so vertraut ımit ihnen, als ob sie von jeher da gewesen
wären. WIELAND 8,163; die jungen leutchen (ein brautpaar)
ınüssen doch erst ein wenig mit einander bekannt werden.
GOoTTER. 3, 155; ein recht liebes paar leutchen. Fr. MÖLLER
1, 299; bedenke doch der gute zuschauer, dasz die leutchen
da droben (auf der schaubühne) mitunter prügel austheilen,
von denen er nichts fühlt. GÖTHE 38, 274;
er (Apollo) stieg herab, und fand
die menschen, die man ihm bald gar zu gut beschrieben,
bald gar zu schlimm, wies immer pllegt zu gehn,
erträglich erst, und endlich gar zum lieben.
die leutchen, muszt er sich gestehn,
gewännen näher angesehn. WIELAND 9, 154 ;
zammt iener bunten leutchen trosse (bediente in der livree sind
gemeint). GOoTtTTER 1.19.
gl. leutlein.
LEUTE, pl. homines.
1) im ahd. steht zu einem masc. und neulralen sing. liut
populus der masculine plur. liuti glieder eines volkes, homines,
nhd. der liut und duz liut volk. im plur. die liute (auch diu
LEUTE
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iute) mens, hen; alts. the lud dus volk, plur. thia liudi menschen ;
195. 1e6d voı%, leode menschen ; fries. liod volkshuufe, plur. Kiode,
iude mensch 'n; ebenso altnord. 1jdr, plur. 1ydir. im slavischen
ntspricht kircı enslav. }judü volk, plur. ljudije leute, lett. laudis
'eule, volk. dım worte liegt die vorstellung des wachsenden, an-
schwellenden, siv'% mehrenden zu grunde (vgl. unser haufe, volks-
naufe), welche 21 mehreren hierher gehörigen deutschen wörtern
zufirült, golh. linden, alts, liodan, ags. leüdan geleüdan wachsen,
zu/wachsen , ahd. Yiotan arliotan emporsprieszen; goth. lYauds,
aups mann in jugga-lauds, -laubs, laudi gestalt (Gal. 4,19
ılosse), lauds, laups, gewachsen, grosz geworden in sama-laups
jleich grosz, sva-laubs so grosz, so viel, hve-laubs wie grosz;
ıhd. löta schosz in sumarlöta virgulta.
2) der singulare collectivbegriff des wortes hält sich nur sehr
spärlich über das mhd. hinaus: viel land und leuts. LUTHER
jr. 4,547; in einzelnen mundarten jedoch bis heute: bair, das
eut das volk, das mannete leut, das weibete leut, das mannes-,
las weibervolk Scham. 1,1537 Fromm. ; östr. das leut, volk, menge
Fromm. 3,193, 129. für die schriftsprache, soweit nicht das singulure
‚eut-, leuts- auch später noch als erster theil von zusammen-
jetzungen sich hält (leutfresser, leutscheu, leutselig, leutskoth
u. s.w.), kommt schon seit dem 15. jahrh. nur der plural in be-
'racht, der den gesamibegriff des singulars vereinzell: leuth omines
'n plurali numero .i, populus. voc, inc. theut. m3°, so dasz uns
eute meist gleichviel mit menschen ist. immerhin klingt die alte
zollectivbedeutung noch so viel nach, als wir unter leute eine ge-
umtheit von menschen begreifen, während wir im plural menschen
in der menge das einzelwesen herausfühlen, und das eben genannte
wort dann verwenden müssen, wenn auf jenen letzteren umstand
'n der rede gewicht gelegt wird; wir sagen? alle menschen müssen
sterben und nicht alle leute müssen sterben, um zu betonen,
wie der tod jedes einzelnen Loos ist; wogegen, wenn es im sprichwort
veiszt alte leute müssen sterben, junge leute können sterben
wofür nicht alte menschen — junge menschen gesagt wird),
slwas einer yanzen altersclasse gemeinsames hervorgehoben werden
;oll. aus einem ähnlichen gesichtspunkte ist das verhältnis des
olurals leute yeyenüber dem singular mann, beziehentlich dem
»ural männer in compositen zu beurtheilen, leute faszt zusammen,
nänner wahrt dem einzelnen seine bedeutung: amtleute, kauf-
eute, landleute, lehenleute sind nicht eins mit amtmänner,
zaufmänner, landmänner, lehenmänner: kaufleute beziehen
lie messen (eine ygesamtheit derer die kau/mannschaft treiben) ;
2in vater sayt dagegen meine beiden söhne arbeiten schon jetzt
mit im geschäft, ich hoffe, sie sollen einmal ein paar tüchtige
kaufmänner werden (jeder einzelne ein tüchliger);
bezogen hat er mit dreitausend pferden
den reichstag, und ganz Krakau überschwemmt
mit seinen lehensleuten.
ScHILLER Demetruts, 1. aufz. v. 431;
schon knien,
vor ihren. neuen herrn die lehenmänner alle
zur huldigung in schöner ordnung hin. .
ALXINGER Doolin von Mainz 5,65;
ınd endlich zeigt sich die zusammen assende bedeutung von leute,
venn das wort in undern pluralen compositen menschen ver-
ichiedenen yeschlechts ihrer duszern erscheinung nach bezeichnet ?
tadtleute, dorfleute (mit stadtmenschen, dorfmenschen meinen
vir etwas völlig anderes, indem wir hier die natur der gemeinten
elonen), bauersleute, eheleute, liebesieute, mietsleute, wirts-
aute u. 4.
3) die ursprüngliche bedeutung von leute, volksgenossen, glieder
les volks tritt in der uralten allitterierenden formel land und leute
%r einen erdstrich und die ihn besetzt haltenden sehr lebendig
wervor (beispiele auch unter Jand sp. 95):
Alts. an bref skribun (des kaisers beamte)
swido niudliko namöno gihwilikan,
ja land ja liudi, Heliand 354;
ugs. wäs se fruma egeslic
leödum on lande. Beöwulf 2311 ;
fries. thet hit tö lande kumi and tö liodon sinon.
fries. rechtsquellen 49, 12, vgl. Germania 9, 441;
uhd. thö fuarun liuti thuruh nöt, sö ther keisor giböt,
zi eiginemo laute. ÖrTFaıD 1,11. 19:
mhd. Assur, der völandes man
hät mir leides vil getän
an Jiuten und an landen. Haupts zeitschr. 5,20,89;
ıhd. die... mit jrer zauberei lande und leute erworben hat.
Nahum 3,4; sie haben land und leute regiert. Sir. 44,4; macht
er sich auf zum könige, nicht sein volk zu verklagen, son-
lern land und leuten zu gut. 2 Macc. 4, 5; es wülle dann gott
BG ade
ıber