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LUFT
uf den lüffen list, wenn du preces machest. seelenpar. 39°; ein
mensch kan betrachten, so er uf den lüffen ligt. brösaml. 1,10”
LUFT, m, und f. aer. ein gemeingermanisches wort: goth.
Juftus; altnord. lopt; alts. ahd. mhd. luft, ags. 1yft, engl., jetzt
veraltet lift; niederl. und in niederd, dialekten mit übergang der
labiale in die gutlurale lucht. das altn. lopt bedeutet auszerdem
das obere stockwerk und den bodenraum eines hauses, eine be-
deutung die sich im schwed, dän, loft forlsetzt (wo sonst für den
begriff a&r die form luft eingedrungen ist), die auch das englische
im nordischen lehnwort loft aufgenommen hat, und die selbst
ähnlich im niederdeutschen sich findet: lucht das oberste stock-
werk im hause, ein kornboden. brem, wb. 3,31.
Das geschlecht schwankt in den alten dialckten: im golh. ist
»8 masc., im altnord. neutr., im ags. sind alle drei geschlechter
bezeugt, im alts. masc. und fem, ebenso ausschlieszlich aber wie
das oberdeutsche von jeher das masc. gebraucht hat und bis auf
heute braucht (bair. alem. nur der luft), hat das niederl., das
niederd. und das mitteld. das fem. verwendet, bei LUTHER Ssiehl
es fast immer (eine ausnahme unten unter 5,b), und in der
nhd. schriftsprache dringt es seit dem 16. jahrh. vor, so dasz seil
dieser zeit der hochdeutschen beispiele für das masc. nach und
nach immer weniger werden; heute braucht das masc. nur noch
der schriftsteller oberdeutscher heimat, der seinem dialekte ein-
flusz auf seine schriftsprache einräumt (der luft. FeLDEr Nümma-
müllers 19; ein hügel schirmt gegen den hysluft, GOTTHELF
geld u. geist s. 7). schwache formen des plurals fehlen nicht
ganz: bis sich die luften etwas gepesseret. Zimmer. chron.
1,444, 6;
gleich wie der wind die spreu bisz in die lüften führet.
Opırz 3, 293.
beziehungen des worles zu urverwandlen sprachen sind bis jetzt
nicht aufgestellt. da die in der alten sprache häufigste bedeutung
von luft der zugwind ist, wie noch heute in mundarten, ags,
Iyft sogar so viel wie windsbraut, sturm heiszen kann:
hü pät gestün and se storm and se6 stronge Iyft
hrecatf bräde gesceaft. crist 991;
so darf man wielleicht daran denken, dasz Juft aus der vor-
stellung des packenden oder ungestümen heraus sich entwickelt habe
und dasz verwandtschaft zu sanskr. rabh-as ungestüm, gewalt,
griech. Adßoos heftig, ungestüm, vorliege, kärnthnisch heiszt Jüftig
rasch, schnell LExer 181; ebenso bairisch lüftig, liftig schnell,
fink Sch. 1,1452 Fromm,
1) luft, luft in bewegung, luftzug, zugwind.
a) so in der älteren sprache, wo wind und luft zusammen
dehen
nu wichet, Hiunen recken, ir lät mich an den wint,
daz der luft erküele mich sturmmüeden man.
Nib. 1876, 3;
der wirt in fuorte in eine gruft,
dar selten kam des windes luft. Parz. 459,6;
stä bi! 1ä mich den wint an wajen!
der kumt von mines herzen küniginne.
wie möht ein luft sö suoze drajen,
ern were al umbe und umbe ein minne?
minnes. 1,15" Hagen,
b) auch später und zum theil bis in die heutige schriftsprache
(vgl. auch nachher c) bleibt diese bedeutung, und luft kann wind,
selbst sturmwind bedeuten; so in mundarlen: in Appenzell der
loft, der luft, der wind (im gegensatz zu die Iuft, luft, jenes
ist altes mundartliches eigenthum, dieses aus der schriftsprache
übernommen). TosLEr 302°; der grosz loft, der sturmwind,
der orkan. ebenda; in schriftquellen: groszer wind, oder ein
starker luft, grandior aura MAALER 501°; so hats (das feuer)
der luft über die gassen hinüber getriben, das in somma das
ganz stetlin verhronnen ist hisz an ain hausz. Zimm, chron,
3, 82, 2; darauf ist nit allgemach, wie sonsten, ein ungewitter
entstanden, sondern der luft hat alsbald das meer dermaszen
verwickelt, dasz es anfänglich den schifleuten die kunst. ent-
nommen. SCHUPPIUS 714;
wie sehr die scharfe luft von norden pfeift und klingt.
Opırtz 3,288;
gewöhnlicher aber ist luft nur die mäszigere bewegung des luft-
kreises; so mundarllich im Baselbiet der luft, lufizug, sanfler
wind (im gleichen gegensatz zu die luft wie in Appenzell, vgl.
vorher) SeiLER 195°; bair, der luft, der wind, die luft Schm
1,1452 Fromm. ; niederd. lucht, luft und wind SchHAMBACH 126°;
de lucht geit, es ist ein mäsziger wind DANnngır 128°; auch in
der schriftsprache. so bei bestimmung einer richlungsbewegung !
die Juft streicht von norden, die luft kommt aus süden;
die oren dar haben ze wüssen wannen har der luft wäye
ander komme. canlare aera auribus. MAALER 275°: bewesgter Iuft,
LUFT
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jentus Dasyp.; des lufts stille, CyrıLLus 49; sprichwörllich :
aprillen wetier ist unstet, federspil endert sich nach dem
uft. AGR. spr. 168°;
ein grimmes tiegerthier hat warlich den getragen
im dürren Lybien, sein herz ist ganz verschneit
vom luft ausz mitternacht, der seiner traurigkeit
kein zeichen von sich giebt, und hilft nicht auch sie klagen.
Opitz 2,119;
die schädlichkeit der luft der mitternacht. SEUME ged. 221;
wenn vom hauchen, wehen, spielen der luft die rede ist;
es spielen luft und laub; es spielen wind und bäche,
; HAGEDORN 3,87;
ihr athem ist in der luft
die um mich weht. WıELAnDd 21,112;
in jeder blume trägt die Juft
mir labung zu und balsamduft.
SEuME spaziergang 2,171;
o hoffnungen der hoffnungsreichen,
aus duft gewebt, von luft zerhaucht!
UHLAND ged. 29 (der sommerfaden) ;
die sonne strahlt, es spielt die luft
mit seinen goldnen haaren. 384;
der wenn adjective oder verben ihre wirkung auf unser gefühl
hetonen (doch vgl. dazu unten 5,a); es heiszt eine leise, sanfte,
milde, scharfe, rauhe, trockne, feuchte luft: zuo lustiger
stimm gehört röscher luft, und dar umb wenn der luft fäuht
st, so sprechent die orgeln und daz saitenspil niht sö süez-
'eih sam wenn daz weter haiter ist. MEGENBERG 15, 35;
es musz ein sanfter luft dich tag und nacht bedekken.
Rıst Parn. 687;
sanft, wie die luft im strahl der sonne wallt.
HAGEDORN 3, 82;
empfindet die schmeichelnde luft! 98;
laher luft, der luftzug, den der kranke oder der schwilzende
mpfindet: sie (die guie frau) gieszt jhm das süpplin ein (dem
tranken manne), schüttelt all augenblick die pfulwen, sperret
lie läden zu, verbawet den luft. Garg. 72;
(die verstorbene war) eine hand im nahrungsfieisze ;
eine luft im sorgenschweisze. LocAu 1,218,2;
mit der luft spielt der gehängte” wenn ich ihn nur einen tag
zuvor sche mit dem luft spielen (am galgen hangen). fliegen-
wadel 122; vgl. in lüften schweben, metaph. pendere de patibule
STIELER 1183,
c) beliebt in der neueren poetischen rede ist der plur. Jüfte;
nicht so sehr in der bedeutung der winde, starker winde:
die lüfte, so hier streichen
sind immer ungesund. OÖOpırtz 1,27;
und durch die übertrümmerten klüfte
zischen und heulen die lüfte, GörHE 12,207;
als gewöhnlicher vom sanften lufizug, und hier wol nur über-
'ragung eines lateinischen sprachgebrauchs :
lenibus impulsae Zephyris auraque salubri
tot generum frondes, herbaque summa, tremunt.
Ovıp, ars amat, 3,693;
seil dem vorigen jahrhundert oft (im dim. lüftlein schon früher.
val. dort):
es locken laue lüfte
aus langem schlummer die frösche. STOLBERG 1,346;
die lüfte hauchen kühl und mild
vom dunklen buchenwald. 409;
er steht im schiff am zweiten morgen,
die lüfte wehen lind und warm. A, W, SCHLEGEL in
Wackernagels leseb. 2 (1876), 1322:
die ermattenden glieder zu baden
in den erfrischenden strömen der lüfte,
SCHILLER braut von Messina v. 918;
niemand sah .des donners pfad,
noch den fittig sanfter lüfte. UHLAND gyead. 6;
wie die lüfte, die losen,
die durch blumen ziehen,
rauschet das küssen und kosen. 22;
die linden lüfte sind erwacht,
sie säuseln und weben tag und nacht, 35;
oft hab ich diesen weg gemacht,
wann goldner sonnenschein gelacht,
hei lauer lüfte kosen. 58;
indesz die harfe hänget unter häumen,
und in den saiten lüfte säuselnd wühlen. 137;
bald blüht der RG hald der goldne friede
mit mildern lüften und mit sanftrem liede, 146
2) luft, der luftkreis selbst, ohne dasz mehr die bewegung betont
wird, die atmosphäre, nach der alten lehre von den elementen
lie erde umgebend: der luft ist daz nahst element näch dem
feur, wann dä des feurs huot ain end hät, dä heht sich
wrnca