Full text: L. M. (6. Band)

1249 LUFTDICHT — LÜFTEN 
in die bedeutung winde übergreifend: > 
da ist ein plätzchen, da wächst kein gras; 
das wird vom thau und vom regen nicht nasZ; 
da wehen die lüfıchen so schaurig. BürcEer 60"; 
in bildern: jedes sanfte, lindernde, ihm von den wissen- 
schaften oder menschen geschenkte warme lüftchen .. wurde 
für ihn ein scharfer nord. J. PauL Ti. 3,137; 
doch vermasz sich 
manches wunsches der thor, und spannte segel 
manchem lüfıchen täuschender hoffnung. STOLBERG 2,69. 
LUFTDICHT, adj. und adv, dicht vor der luft, so dicht das: 
keine luft zutreten kann, zuerst von CAMPE als neues worlt ver- 
zeichnet : etwas luftdicht verschlieszen ; ein Iuftdichter deckel 
LUFTDRUCK, m. druck den die luft übt. 
LÜFTEBEWOHNER, m. von einem vogel, einem geiste ? 
wie ein falk, der schnell aus den lüften herabfährt, 
weil er die girrenden küchlein sah im schatten des hofraums, 
fuhr der lüftebewohner (ein geist) hinab, und schauderte, bebte 
N PYRKER Tunis. 2,195. 
LÜFTELEER, adj.: 
in öde 
rings umher verstummt des herzens rede, 
schweigt sein lauter pulsschlag. lüfteleer 
ist es um mich, HERDER zZ. Zült, 3,33, 
LÜFTELEIN, s. lüftlein. 
LUFTEN, verb. nach luft 1, wehen: alem. luften, wehen, 
winden, zunächst von einem gelinden winde, einer leicht bewegten 
luft; dann auch füchern STALDER 2,182; in Appenzell es loftet, 
es windet TogLER 303“; von einem hefligen winde: es hat ja 
gestürmt und gelultet, dasz man nicht einmal mehr ins unter- 
dorf hinab hat sehen können. FeLDEr Nümmamüllers 8, 
LÜFTEN, vwerb., nach luft in mehreren bedeutungen. 
1) nach luft ı und 3,c, bewirken, dasz etwas in den luftzug 
oder in die frische luft komme? lüften ventilare SCHOTTEL 1359; 
lüften, venlilare, aeri exponere, insolare STIELER 1183; ich lüfte, 
lax0, aerem admilto, venlulum facio STEINBACH 1, 1083; kleider, 
betten, zimmer, das haus lüften; heimgekehrt, öffnete und 
lüftete sie ihr haus von oben bis unten. G. KELLER leute von 
Seldwyla 1,280; 
jungfer Susanna 
hat mit pfeffer und milch die fliegen gedrängt, auch das mäuschen 
hübsch in die falle gelockt und den alkov Neiszig gelüftet. 
Voss Luise 1,96; 
ganz unerträgliche schwüle, so sehr ich die kammer gelüftet, 
störte den schlaf, 2, 589; 
bildlich: wenn .. alle moral einmal gelüftet wird. LICHTENBERG 
2,212 (1800 1,75); so lange also.. wurde des jünglings herz 
von der satyre zugesperrt..als es sich nun endlich im acht 
und zwanzigsten jahre öffnen und lüften durfte. J.PauL uns. 
loge 1, vorr. xxx1; vgl. auch auflüften, auslüften, durchlüften, 
verlüften (verluften). 
2) ohne object, zugluft oder frische luft herführen: 
haben aber alle götter, hat nun Helios vor allen, 
lüfıend, feuchtend, wärmend, gluthend, beeren-füllhorn auf- 
gehäuft . .. GöTHE 41,249; 
vom winde selbst: muszte langsam neben der schleichenden 
bahre waten und noch dazu einem lüftenden wind entgegen. 
J. PauL lit. nachlasz 4,87. 
3) luft zulassen zu etwas, luft geben; in der unumgelauteten 
form Juften: noch erinnere ich mich, aalen als ein kunst- 
wort unserer röhrmeister gefunden zu haben; für: eine ver- 
schlemmte röhre luften, indem man einen lebendigen aal 
durchschlüpfen läszt. LEssinc 11,654: als lüften auch in tech- 
nischer sprache. 
a) den wein lüften: den wein lüften, oben ein zäpflin 
ufziehen, wann er geführt worden, da er dann herausspritzt, 
KEISERSBERG bei Frısch 1, 627°. 
b) bei den gärtnern die bäume lüften, im herbste das über 
den wurzeln der obstbäume um die stämme befindliche erdreich 
aufgraben, damit das regen- und schneewasser den winter durch 
desto besser zu den wurzeln eindringen könne. öcon. lex. 1461; 
auch die überflüssigen dste ausschneiden, zu besserer entfaltung? 
einen baum lüften, arborem inlerlucare STEINBACH 1,1083, 
c) getreide lüften, durch umschaufeln verhindern, dasz es 
modere; bildlich: aber nicht so unsre heutigen kirchenlehrer. 
auch von der christlichen spreu soll kein hülschen verloren 
gehen! lieber wollen sie die körner selbst nicht lüften und 
umwerfen lassen. LESSING 10, 181. 
d) bei den färbern die küpe lüften, den waid in der küpe 
nit einer krücke umrühren. JacorssoN 2, 642°. 
Tr 
LÜFTEN 1250 
4) lüften, aus dem boden an die luft bringen, heben: zu Cöln 
ı1egen noch grosze schätze, die endlich einmal lüften möge 
ver es versteht. J. Grimm kl. schriften 5, 323. 
5) lüften, nach luft 3, in die luft, die höhe heben; und hier 
zach dem grade der bewegung unterschieden. 
a) hoch in die lüfte heben, hoch heben: und wie denn der 
zluge feuerwerker seine blendenden darstellungen gewöhnlich 
nit einer raketengarbe zu enden pflegt, so hat auch unser 
'reund, was bisher einzeln, oder paarweis, an der erde in 
Jer mittelhöhe erschien, nun zur dreiheit erhoben und in 
die höchste atmosphäre gelüftet. GöTHE 39,207; wie mhd.: 
sö diu lerche lüftet ir gede@ne, 
daz ir schal üf dur diu wolken dringet. 
minnes, 1,23* Hagen; 
hoch heben, von gliedmaszen und dingen: 
dö begunde sie zu lufte 
die arme und ersufte. ALBR. V. HALBERSTADT 24,216; 
und nun, nachdem auch unser held .. 
mit gelüftetem sper an seinen platz sich stellt, 
nun glaubt ihr, werden wir stracks, die zeit euch zu vertreiben, 
den schrecklichsten kampf, der je gewesen, beschreiben? 
WIELAND 5,104 (n. Amadis 15,31); 
ihm brechen die knie, er sinkt betäubt 
an einem stuhl zu boden, bleibt 
wohl eine halbe viertelstunde 
so liegen, lüftet dann und wann 
die augen nach ihr. 21,130; 
es hatte ein Junger mann 
pfeile geschiftet, # 
dann wie er konnte und kann 
Nügel gelüftet; 
doch im dädalischen flug 
kam er zu sinnen. GörtHE. 56,87, 
b) auch nur ein wenig empor heben: wird (bei der tortur) 
Jie schraube einmal oder vier gelüftet, damit die daumen 
nicht bald verstocken, dasz sie nichts mehr fielen (fühlen). 
ADRIAN miltheil. 300; und letztlich wird auch nebenst dem 
andern nur die eine beinschrauben angesetzet, welche aber 
iber !/a stunde niemahls zubleibet, sondern oft gelüftet wird. 
301; so aber wuste ich nicht, was ich davon denken sollte.. 
lüftete meinen hut und seufzte. THüÜMMeL 3, 104; der graf setzt 
sich und behält.. den hut auf dem kopfe, den er höchstens 
aur, um jemand zu grüszen, lüftet. GÖTHE 14, 157; sie säumte 
nicht ihn (den koffer) zu eröffnen. da zeigte sich alles so 
schön gepackt und geordnet, dasz sie es nicht auseinander 
ıu nehmen, ja kaum zu lüften. wagte. 17,163. 
c) endlich heben, empor heben, ohne dasz der grad desselben 
zäher bestimmt werde: die sättel lüften, um die pferde gehörig 
zu putzen. PöLıtz jahrb. der gesch. u. polilik (1847), juli, s. 85; 
einen schleier, einen vorhang lüften; bildlich das dunkel lüf- 
ten, das über dieser geschichte liegt; 
ihr andern lüftet rings umher den rasen (zum ziehen eines 
grabens). GÖTHE 41,319; 
lasz als deiner tochter 
ehgemahl mich ihren schleier lüften! ProAteEn 322; 
mit adverbien , die die richtung des hebens näher angeben: ich 
jin es so überdrüssig, überall wo ich mich blicken lasse, 
schon auf dreihundert schritte weit, alle zeigefinger und 
‚;pitznasen nach mir hingelüftet zu sehen. WıELAND 35,115; 
sin eiserner stift neben dem ambosze (des nagelschmids), an 
welchem man den geschmideten nagel von unten aus seiner 
krone herauslüftet oder hebt. JAcoBSson 2, 643°; 
aber erschrocken zog den leib Ainelas zusammen, 
lüftete dann den schild von sich ab. 
BürGEr 233° (Il. 20,278) ; 
wär das ding einzurichten, so müste der hochherzige und 
hochgeistige die schriften der letzten zu zeiten lesen, um 
sich etwas zu temperieren ... dem diesem entgegengesetzten 
müszte man die schriften der ersten in die hände geben, 
ım ihn etwas aus dem koth zu lüften. KLInGER 11, 136. 
6) lüften, luft machen, zum athmen und sich regen (vergl. 
luft 5, besonders 5, e); in der ältern sprache vom nachlassen 
ziner vergünstigung: doch so ist hierinne den glasern gelüftet 
ınd zugegeben, das sie ire abschnit und abgank von dem 
zezogen plei bei einzigen pfundsweis verkaufen mogen. Nürnb, 
poliz.-ordn. 140; doch so ist den plechsmiden zugeben und 
geluftet , das sie ire paisz und raihwasser...in die Pegnitz 
schüten lassen mügen. 278; hiebei so hat ain erber rat ge- 
luftet, das ain prewtigam, ob er will, sein vermehelte prawt 
zu dem heftle mit ainer guldin ketten .. vereren und begaben 
mag. 73; später aber frei muchen, regung lassen, in bezug auf 
menschliche organe: die feigen, erdbeeren, brumbeeren, him- 
am
	        
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