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MACHT
MACHT, f. vis, potestas.
1) goth. mahts; ahd. mhd. alts. altnfr. maht; niederl. magt ;
ags. Mmeaht, meht, miht, altengl. maht und miht, neuengl
might; fries. mecht; altnord. mättr, schwed. makt, dän. magt:
das allen germanischen sprachen angehörige subst. zu dem ver-
bum goth. magan, unserm mögen, dessen eigentliche bedeutung
kraft, zumal zeugungskraft haben ist, s. dort und unter ver
mögen, sowie nachher unter nr. 13. der umgelautete dat. gen.
sg., mhd. mehte, ist kaum über die mhd. zeit hinaus geblieben:
von römischer küniglicher mehte. d. städtechron. 1, 126, 9;
neben dem umgelauteten nhd. plur. mächte zeigt sich einige male
auch eine unumgelautete form, die ihr vorbild schon ın der alten
sprache hat:
nü saget mir mit rehte
minis vater mahte (körperliches wolbefinden).
. genes. in d. fundgr. 2,69,32:
im nhd. aber, wie die substantive dieser art überhaupt, sich zur
schwachen declination wendet: dasz es nicht in des richters
machten stehe. J. AYRER proc. 2, 2;
dann wann gott wil, dasz wir hoch jemand sollen achten,
wie kan ers besser thun als durch dergleichen machten ?
Opırz Hugo Grotius‘ wahrh,. 375 ;
hier stand sie, das bemühn der noch bewahrten machten,
die absicht jedes volks und königs zu betrachten.
. J. E. SCHLEGEL 4,46;
(er lerne) was Europa regt? wie die vereinten machten
in stätem gleichgewicht sich selbst zu halten trachten?
HALLER schweiz. ged. 104;
aber heute neu mit machten
sprudle quell aus deinen höhlen!
faltet aus die frischen prachten,
ihr des grünen thals juwelen,
holde blumen, euren floor! GÖTHE 13,242,
2) macht ist zunächst körperliche kraft: macht vulg. gesunt-
heit und kreft des leibes, vis, potestas anime et corporis. vOC,.
inc. theut. n 3°; macht (bezüglich) der sterk und kreft, vigor,
valitudo. ebenda; Hiob antwortet und sprach: meine rede
bleibt noch betrübt, meine macht ist schwach uber meinem
seufzen. Hiob 23, 2; er uberwand aber das schreckliche wesen,
nicht mit leiblicher macht, noch mit waffen kraft, weish. Salı
18, 22;
der gsundt kein arzney sol nemen.
kraft und macht thust dardurch verliern,
H. Sacus fastn. sp. 1,112,376 Götze;
in volksmäsziger rede noch weit verbreitet; er hat gar keine
macht in den knochen, sagt man von einem kraftlosen; er
stemmte sich mit aller macht seiner schultern gegen die
thüre; er hat keine rechte macht zum zuschlagen ; selten
schriftlich bezeugt:
wie ihr ihn wollet ziehen
mit eures armes macht. P. GERHARD 27,52;
unwillig steigt der greif und strengt die letzte macht
der sehnen an, den alten ug zu nehmen,
ScHILLER Pegasus im joche v. 57;
„gl. mlud. sus säzen si dä bede
durch ruowe üf einer grede
unz si gewunnen niuwe maht. Wigalois 186,20;
sus lac diu frouwe äne maht.
der liehte tac was ir ein naht:
sine gehörte noch gesach, 127,34,
und s. amacht (fh. £, 276), anmacht (404) und ohnmacht.
3) macht erweitert zu dem begriffe kraft, vermögen, mit ein-
bezug des seelischen oder der hilfsmittel, über die man verfügt
facultas mugen, macht Dier, 222°; macht (bezüglich) der zeit
lichen guter, macht der kunst und wirdigkeit, facultas. voc.
inc. theut. n3°; (sie sehen an den kindern) zu was handthie-
rung sy tauglich zukünftig sein werden, das seind die ärzt
oder phisici bei uns in gleicher macht (das können sie auch).
FranK weltb. 101°; dieweil man genugsam bericht ist, dasz sie
damals die macht noch nicht hatten, schöne köstliche ciboria
...zu machen. FıscHArRT bienk. 147°‘; des ordens volk war
der beute begierig, darum sie alle menschliche und mög-
liche macht anwendeten, die festunge zu ersteigen. SCHÜTZ
Preuszen 68;
gebricht ihm willen oder macht? DROLLINGER 28;
doch fern von dir naht quälend die verzweiflung,
dann tobt im aufruhr jede macht der seele,
angst treibt und hoffnung, jede wird mein herr.
FarytAaG Fabıer 3.1:
gern in festeren verbindungen.
a) an etwas liegt oder ist macht, an etwas haftet kraft oder
vermögen, wofür wir jetzt das farblosere an etwas liegt viel
oder ist viel gelegen brauchen: weil an demselben (worte gottes)
allein alle macht liget. LurHER 4, 1°; bei dem heubtstück
bleiben. da die macht an ligt. 25°: darumb, das Noah (datf.,
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lem Noah) macht daran gelegen war, da er in solcher angst
stund. 53°; das ist nu der rechte unterscheid, und ligt zwar
lie ganze macht an, das man jn recht treffe. 5, 475°; aber
hie ligt nu die macht an, das man zusehe, das der glaube
aur nicht falsch, oder wie Paulus sagt geferbt, sondern
cechtschaffen sei im herzen, 6, 41°; darum ligt die macht an
lem wörtlin, dich, das sie dich erkennen, das du allein
ler warhaftige gott bist. 176°; sihe doch, wie er sichs so
viel wort kosten leszt, doch nur uber einerlei ding, denn
er redet, als lige jm macht dran, das man sehe, wie gerne
er wolt den armen schwachen blöden gewissen ins herz
reden. 185°; denn da ligt die macht an, das man den vater
wol lerne kennen durch den glauben. 204’;
ich wäisz wol, das des streites macht
ist nicht allein an leibes craft,
an gemüte, pfärden und an eisen,
der beste teil leit an den weisen. ring 51°, 39;
es liegt nicht macht an etwas, kommt nichts drauf an: doch
weil die weise der leviten zu singen ist vergangen, So ists
ungewis, was wir davon sagen, ligt auch nicht grosze macht
dran, wenn wir nur den verstand des psalms recht hetten.
LUTHER 2,390”; es ligt keine macht daran, ob mans nicht
wisse. 4, 38°; ob sie nicht zum streit wider die ketzer tügen,
Ja ligt nicht macht an. 5,177’; denn er (Christus) stehet da
‘ür uns, und spricht, las mir meine braut zu frieden, ist et-
was an jhr gebrechlich, das wil ich erfüllen, ist sie nicht
schön und rein gnug, so kan ich sie schön und rein machen,
zefellet sie dir nicht, da ligt nicht macht an, ist gnug, das
zie mir gefellt. 6, 355°; wann er nimmer kumpt, daran ist
ıleine macht. Ulensp. 40, s. 61 Lappenb.
b) mit, aus aller macht, ganzer macht, mit aufbielung seiner
kraft, so viel man vermag: und David tanzet mit aller macht
’ur dem herrn her. 2 Sam. 6,14; sie hieb zwei mal in den
hals mit aller macht. Judith 13, 9; David aber und das ganze
Israel spieleten fur gott her, aus ganzer macht. 1 chron. 14, 8;
das fewr vermocht mit keiner macht jnen zu leuchten. weish.
Sal. 17, 5; mit ganzer macht und sterke, mit allem, vermögen
ein ding zehanden nemmen, omni ope alque opera eniti MAALER
280°; sich mit aller macht widersetzen, omnibus yiribus atque
mwibus repugnare STEINBACH 2, 69;
sein arm hat aller feinde joch
mit aller macht zerbrochen. P. GERHARD 52,7;
vergl. dazu 3, f.
c) dafür auch in alle macht: wann er aus dem wasser
kam, lief er in alle macht den berg hinauf, Garg. 179°; die
gethischen völker, wanns donnert, schossen sie in all macht
mit pfeilen dargegen. 181°; aber Schollentritt rüft ketzer,
amer, mordio, schelmio, halten den dieb, lief in alle macht
‘jernach. 198°; mit allen henden creuz für sich zu machen,
ınd sich inn alle macht zu segnen. 229”; unter des sie unter
Jen nuszbhäumen also halten, jagt der mönch inn alle macht
ıinden nach. 255"; dasz jhnen die katz inn alle macht den
‚ucken hinauf lief. 256°; herwiderumb, wann mann wolt gern,
lasz es (das pferd) stünd, so nimpts dem, der darauf sitzet,
len zügel, und fert in all macht dahin. Pefr. 29°;
wer leschen will eins andern husz,
so jm die flamm schleht oben usz
und brennt das syn in alle macht,
der hat uff syn nutz wenig acht.
RANT narrensch. 58,21;
lasz wachen bruder wer da wacht,
hinnacht ist auch ein nacht,
das leilach ziecht inn alle macht,
ich hör kein han zu nacht. Garg. 249",
d) über macht, über seine kräfte hinaus: und wann eins
larvon gieng (von der mahlzeit) und vol was, so kam der-
selbe hauswirt und het ein güte schmicken und schlüg sie
ımb die lenden, das ein ietlicher uber macht essen müst.
Ulensp. 10, s. 9 Lappenb.; so bald mich die räuber ansichtig
xurden, verlieszen sie ihre beute, und liefen über macht
lem nahen gebüsche zu. LEsSING 1,307;
maneger izzet über maht
vierstunt ze undern in der naht. Renner 10542;
dö gie er danne über maht. ges. abent. 2,189, 543.
e) macht, kraft, wirkung, die dingen innewohnt: (cinamom)
hät die maht, daz ez anderr wolsmeckender ding gewalt
viderdruckt. MEGENBERG 362, 22; (die rede) heiszt tropus oder
netaphora in der grammatica, wenn man zweierlei dingen,
snerlei namen gibt, umb des willen, das ein gleichnis in
jeiden ist, und ist denn derselbige name nach dem buch-