1913
MEIN
und es ist namentlich der alemanische dialekt, der den angegebenen
mhd. brauch nicht nur bis in diese zeit fortführt, und den gen.
mins, dat. mim bildet: das was mins ellentz ein anfang.
TH. PLATER 4 Boos; do ich mit mim wib in Wallis zogen. 9:
sties mich der präst an in mim hus. H. Saıar 61 Bächtold,
es ist mins vaters hus, N, MAnvugr 76, 1203;
es müsz mim herzen vil leids beschehen. 135,18;
und bring mit mir vyl wilder ‚gest,
zü triben den hanen ausz meim näst.
P, GENGENBACH Wwelsch flusz 260;
ich wolt ee mit mim swärt drin schlagen. gouchmat 598;
sondern der auch solche formen bis heute festhält? bist mir
schier ein seltzamer gast in mim husz. TosLER dialektproben
aus d. Schweiz s. 19 (von 1655); mir ist ums geld alles fail
as grad mis Gretlis ehr nüd. 46;
se (so) chunnt mim sinn das hexli für. HeEBseL 1,127.
3) mein, flectiert wie ein adjectiv, ursprünglich nur in starker
form, doch kommt die schwache nach dem artikel bereits im mhd,
empor, vergl. nachher nr. 4 und 12. im nominativ zeigt sich uns
bei jener das masc. und neutr. flexionslos, wenn es mit substan-
tiven und adjectiven steht, und nur das fem. flectiert: meir
vater, mein lieber vater, mein kind, mein liebes kind, aber
meine mutter, meine liebe mutter; mhd. war die flexionslosigkeit
auch auf den nom. fem. ausgedehnt (gramm. 4, 480); aber nach-
klänge eines noch älteren brauches, der überall im nom. flexion
litt (minaz 1ib. OrrFrıp 3,14, 74; thaz thu liobo miner bist.
5, 15, 18) haben sich ins nhd. hinein erhalten: lieber meiner,
hat doch Antipho also ein weib genommen, ila ne tandem
uxorem durit Antipho? MAALER 91°, abgeblaszt als einleitung
zu einer frage, wie unten mein nr. 10, aber statt mein lieber;
schweizerisch steht das gekürzte neutrum mis == mhd. minez für
unser mein mit vorliebe? das häst erratha, mis Madleni. ToBLER
alte dialektproben s. 41; o mys herz, mys leben. J. GOTTHELF
erzählg. u. bilder aus d. Schweiz 4, 80;
herz, mys herz, warum so trurig?
J. R. Wysz in Hoffmanns volksthüml.
liedern nr. 424.
steigerungsgrade, wie beim adjectiv, werden von mein begreiflich
nicht gebildet, auszer in besonderen fällen in dichterischer rede:
du bist mein; und nun ist das meine meiner als jemals.
GöTHE 40, 337;
und den allerschönsten kleinen,
ihn, den traum und wachen spinnen,
ihn, den allermeinsten meinen,
seh ich funkeln mitten drinnen (unter den sonnen),
ARNDT ged. (1840) 418.
4) über die verbindung des mein, wie der andern possessiven,
mit dem bestimmten artikel s. unter der 32, th. 2, sp. 991 fg.
im nhd. steht mein vor substantiven oder adjectiven ohne solchen,
selten findet er sich in der älteren sprache: über ettlich jar nach
dem ich uff ein mal usz den schülen usz witten landen heim
kam, ward der min gesell minen innen. Ts. PLATER 9 Boos,
wo aber der mehr als bloszer artikel scheint, bezug auf einen
kurz vorher genannten gesellen hat und fast wie dieser mein
gesell oder jener mein gesell gedeutet sein will; das possessit
folgt aber unflectiert dem mit artikel verbundenen substantiv und
adjectiv, beispiele schon th. 2, 992:
ich reden es uf die trüwe min.
N. MAnvegL 72, 1090 Bächtold;
nun vernim die rede mein. fastn. sp. 484,11;
das ist der will des herren mein,
das ich im häg vil hirsch und schwein.
SCHWARZENBERG 138°;
du must ins gefengknus aufs aller minst
und dennoch behalten die tochter mein,
J. AYRER 435° (2159.5 Keller):
im volkslied :
der sommer und der sonnenschein
ganz lieblich mir das herze mein
arquicken und erfrewen. UHLAND wolksl, 84;
das lacht die herzallerliebste mein. ebenda;
will das vertrawen setzen
auf gott den herren mein. 119;
len gefangnen mein, den geb ich dir nicht,
HERDER zZ, Lüt, 8,173.
vergl. das gefiel dem esel im sinne sein. 194:
von wo es neuere dichter übernehmen:
und sing ich dann im herzen mein
lob gott mit allen würmclein. GöTnE 13, 78;
soll ich den lieben vater mein
im besten schlaf erwecken? UHLAND ged. 340;
MEIN 1914
im ausruf ohne artikel: o getrewer vatter, vatter mein, wie
ı1astu mich verlassen? SpEE güld. tugendb. 579;
du solt trinken, vater min, , _
wazzer; sö wil ich trinken win. meier Helmbr, 471;
ach Elslein, liebstes Elslein mein,
wie gern wär ich bei dir! UgsLAnD volksl. 92;
tüt ewer herz auf schlieszen,
schlieszt mich darein,
herzallerliebste mein! 177;
guten tag, guten tag, liebe hasel mein, “
warum bist du so grüne? HERDER z. /itt, 8,169;
ihr irrt euch, liebe herren mein! Görar 13,77;
soweit nicht mhd. auch hier der artikel erscheint, hinter welchem
min wol auch schwach flectiert ist:
lieber sun der mine (: schine),
sus troumt mir vert von einem man.
meier Helmbrecht 584.
5) demonstrativen folgt das yossessiv? diese meine bemer-
zungen fanden kein gehör; ich sah jene meine reisebegleiter
;päter nicht mehr; dem adjectiv geht es voraus, doch ist es
%isweilen auch hier nachgesetzt; so wenn es zugleich noch auf
%n vorhergegangenes demonstrativ sich bezieht: wenn ich sie in
liesen und andern meinen schriften länger mit stillschweigen
übergienge. Opırz poeterey A3° (vorrede); doch auch sonst: an-
dere meine geschefft. P. REsuuun klag des armen manns 3;
nach verrichteter meiner andacht. nord. Robinson 2,20: in
ler anrede:
wist, lieber mein man,
man hat mir unrecht getan. fastn. sp. 506,33;
drumb lieber mein Grobharde glaub,
es ist deim leben eitel gift,
so bald die kelt das herz betrifft.
Grobian. L1* (v. 2678);
ich sol und müsz von hinnen,
ei schönes mein lieb! UsuLAnD volksl. 176.
6) bezieht sich mein auf ein vorangegangenes aber nicht wieder-
1oltes substantiv, so steht es entweder ohne artikel in der starken
‘orm, oder mit dem artikel in der schwachen, vergl. th. 2, 993;
loch hat mhd. und noch später auch nach dem artikel zunächst
die starke form statt:
wie kumt daz ich sö wol verste
ir rede, und si der miner niht? WALTHER 71,28;
‘ich sich dört ain maister stan, .
den will ich mirs (das schwert) vegen lan.’
so will ich auch das mein
laszen machen, das es schein. fastn. sp. 426,33;
was noch gelegentlich in heutiger rede sich zeigt:
wenn ich sechs hengste zahlen kann,
sind ihre kräfte nicht die meine?
ich renne zu und bin ein reicher mann,
als hätt ich vier und zwanzig beine, GörtnE 12,91:
gegen unsern gewöhnlichen brauch:
dein mahlschatz bin selbst ich,
du meiner, FLEMING 312;
neidenswerther, ach, zehnmal neidenswerther
ist, 0 vogel, dein schicksal, als das meine! Höw1ty 82 Malm;
yrinz, und wenn er seinen gegenstand benennt,
so gibt er ihm den namen Leonore,
Leon, es ist dein name, wie es meiner ist. GÖöTHE 9,109;
jasz ich kein anderes 1oo0s wahrlich mir wünsche als meins.
ARNDT ged. (1840) 258:
meinen sohn hast du verführt,
hast der tochter herz verzaubert,
hast auch meines nun gerührt. UHLAND ged, 286;
die kunde fügt
mit mejner sich wie schal und kern zusammen.
FREYTAG dram., werke 2, 172,
7) mein in schärfster bedeutung, was ich besitze: das ist mein
haus, mein eigenthum; das kostet mich mein geld; meine
icker, meine wiesen; meine schafe hören meine stimme.
Toh. 10, 27; ich trag meinen han und nicht den ewren. StTEIN-
1öweErL Esop 59; hier, herr wirth, ist mein geld. HrkeEı 2, 10:
mein haus hat keinen gibel,
es ist mir worden alt,
zerbrochen sind die rigel,
mein stüblein ist mir kalt. UHLAND wolksl, 91;
ich mach kesz und rühr auch schmalz ausz
und hab mein hares gelt darzu.
J. AYRER 435° (2187, 5 Keller);
so lang mir friede bleibt, so lange wünsch ich
in meinem haus ihn zu genieszen. GöTHE 9,108;
mein mann, der ich mein eigen bin, nicht der hörige eines andern?
liebr will ich arm sein und mein mann
denn reich an einer kette stahn, froschmeus, V7* (2,1.6):