Full text: L. M. (6. Band)

1917 
MEIN 
lich hab ich nicht leicht ein plätzchen gefunden, und dahin 
lasz ich mein tischchen aus dem wirthshause bringen und 
meinen stuhl, trinke meinen kaffee da, und lese meinen 
Homer, GÖöTHE 16,17; wenn ich des morgens mit sonnenauf- 
gange hinausgehe nach meinem Wahlheim, und dort im wirths- 
garten mir meine zuckererbsen selbst pflücke, mich hinsetze, 
sie abfädne, und dazwischen in meinem Homer lese. 39; nun 
habe ich zwar zu meiner zeit auch meinen vers gemacht, 
wie ein anderer, aber der witz ist eingerostet in den leidigen 
geschäften! ScHmLLER parasit 3, 5; ich habe denn einmal wie- 
der so mein gängelchen durch das land gehalten. IMMERMANN 
Münchh. 1,139; 
Insbruck! ich musz dich laszen, 
ich far dahin mein straszen. UHLAND volksl. 131; 
sprich, auf lantzman, setz dich hiehar, 
yeh ausz meim ort, dann ich ghör dar. 
Grobian, c3* (v. 666); 
auch in der selbstbewusten redensart ich stelle meinen mann, 
ich stehe meinen mann, stelle mich oder stehe, wie ichs in der 
übung habe, wie mans von mir gewohnt ist, d.i. tüchtig oder 
tapfer. 
8) gleiche abgeschwächte bedeutung waltet, wenn mein bezogen 
wird von einem erzähler auf den von ihm schon vorgeführten 
helden seiner geschichte (in gleicher weise steht unser, s. d., wobei 
aber dem leser oder hörer ein antheil am helden zugesprochen 
ist): kamen also uf die ban in irem geschmuck und was 
mein Wilwolt recht und reuterisch heraus gestrichen. Wilwoll 
von Schaumb. 65; da blib mein schöner mönch am nuszbaum 
henken, wie ein anderer dannzapf. Garg. 251°; ich besuchte 
mein gutes weib unter der linde (das weib, von dem ich schon 
erzählt). GörHE 16,115; meine weibchen redeten davon, wie 
man eben davon redet. 127; 
mein mann verspricht mit vielen schwüren, 
indem er ihre knie aus dankbarkeit umfaszt, 
sich sehr bescheiden aufzuführen, WIELAND 10,212; 
mein Cefalus geht alles willig ein. 225; 
mein bursche kehrt zu seiner bürde 
zurück, 18, 135; 
so langt denn, unter lautem lachen 
der ganzen stadt, mein kauz am schloszplatz an. 137; 
mit diesen worten sprengt mein krauskopf Salz davon. 
mein ritter, ohn ein wort zu sagen, 
eilt nach dem stalle, zäumt sein thier. 354; 
. doch denket, wie betroffen 
mein junker stand, 21, 286; 
mein stier nahm frisch und froh 
dies tempo wahr, BÜRGER 23°; 
der köter knirscht in jeden stein, 
zerrt bald an meines herrchens rocke, 
bald an dem degen, bald am stocke, 32; 
knaps! zerstückt lag kling an klinge: 
all der hagel! welche sprünge 
that mein leutnant und husar! Voss 2,108. 
9) mein in anrede und anruf, richtet sich nach den ver- 
schiedenen schattierungen in der bedeutung des zu persönlichen 
substantiven gesetzten mein (oben 7): mein vater!; mein sohn!; 
mein gott und herr!; mein gott, mein gott, warum hastu 
mich verlassen? ps. 22,2; herr mein fels, mein burg, mein 
erretter, mein gott, mein hort, auf den ich trawe. 18, 3; mein 
son Absalom, mein son, mein son Absalom, wolt gott, ich 
müste für dich sterben, o Absalom, mein son, mein son. 
2 Sam. 18, 33; mein vater, mein vater, wagen Israel und seine 
renter. 2 kön. 2, 12; 
sieh an, mein herr (gott), wie stadt und land 
an vielen orten ist gewandt 
zum tiefen untergang. P,., GERHARD 9,36; 
mein vater, mein vater, und hörest du nicht, 
was SE, mir leise VErSprlCht? 
sei ruhig, bleibe ruhig, mein kind. GöTHE 1,183; 
in ergebener anrede an den gesellschaftlich höher stehenden, wo 
das mein die zugehörigkeit und abhängigkeit des sprechenden 
gegen den angeredeten besonders hervorheben soll: mein könig!; 
mein fürst!; 
mein fürst! wenns doch kein leeres furchtbild wäre! 
(Gordon zu Wallenstein). 
ScHILLER Wallensteins tod 5,5; 
mein hoher herr, hier UrE ich dir zu füszen, 
H. v. Kızıst Kdihchen v. Heilbr. 4,2; 
nach französischem wvorbild, wo das gpossessiv sehr gewöhnlich 
steht: man sagt nicht: herr general. man sagt mein general! 
Görne 14,271 (bürgergeneral); in mehr traulicher rede unter 
gesellschmftlich niedriger stehenden: mein kelner! redet ein bauer 
1918 
5flich einen kellner an. H. Sacas 1, 473°; mein mann, mein 
jeber Chüne oder Rüde, ist ein schmeichlende red, mi wir. 
ÄAALER 286°; 
mein mulner, hor ich wil dir sagen. fastn. sp. 203, 13; 
ınd freundlich von höher gestellten gegen geringere: 
mein Angelica, mich versteh! . | . 
gen hof für die rahtstuben geh (kaiserin zu ihrer jungfrau). 
3, AYRER 95° (481,19 Keller); 
zuch in verbindung mit adjectiven wie lieb, gut, was die trau- 
“che rede bis heute bewahrt hat: mein guter mann, sie sind 
tre; kommen sie, mein lieber herr!; 
wann du vil ausz zurichten hast, 
so thüs nur selbs, mein lieber gast. 
. Grobian, G2* (v. 1681); 
wo dann mein in solcher anwendung auch wol ganz verblaszt 
und selbst in zorniger rede sich zeigt: kein aber, mein guter 
xerl! das bitte ich mir aus. Möser phant. 1,174 ; 
mein diern, antwort nicht fur die frauen (kupplerin gereizt 
zur hausmagd), fastn. sp. 164,13; 
mein wilter mann, so komm mit mir! 
J. AYRER 276° (1382,28 Keller) ; 
in tändelnder anrede an die gelieble mein liebchen!; mein 
kind!; mein schätzchen, mein engel! wu. a.; 
sag an, mein Leiszgen, was reits du? (narr zur närrin). 
fastn. sp. 182,24; 
mein engel, nimm auf brust und wangen 
nun meinen keuschen kuss, MENANIES 50; 
mein liebchen, was willst du mehr? H, Heine 15,165; 
nein kind, gegenüber einem jungen mädchen: Franziska. einer 
sammerfrau? das soll ich wohl sein? der wirth. ja, mein 
schönes kind. LEssınG 1,530; Franz. wir kommen, dem könige 
nen officier wegzukapern — wirth. wie? was? mein kind! 
mein kind! 531; 
mein kind, wir waren kinder, 
zwei kinder, klein und froh. H.Hezeınz 15,153; 
unter solchen zahlreichen anreden ist hervorzuheben mein herr!, 
vie niederl. mijnheer, engl. mylord, franz. monsieur; namentlich 
m plur. meine herren! jetzt gewöhnliche einleitung zu einer 
ınsprache oder gröszeren rede, aber auch im sing. seit alters 
»iel gebraucht (vergl. dazu herr fh. 41, 1132, nr. 9): 
wie nü, min her Keii? 
nü sprechent ir doch, ir sit vri 
valscher rede: wie schinet daz? Iwein 2509; 
mein herr, wir habens wol bedacht. fastn. sp. 366,2; 
mein lieber herr, laszt doch von den sachen. 480,3; 
mein herr, habt die versz gmachet jhr. 
J. AYRER 105° (531,28 Keller): 
loch hat sich nur spärlich eine ähnliche verwendung der formel 
vie im niederl. engl. franz. ergeben, dasz mein herr bei bloszer 
nennung wie der herr steht, und nur im sing., nicht im plur.: 
las gehört dem mesner, das gehört meim herr pfarrer. SCHADE 
at. u, Pasqu. 2, 150, 31; und denn so fragt mein gnediger herr 
ler bischof ernstlich, ob die hüner gachzen, 3, 181, 29: 
sus was min her Iwein 
mit disen n@ten zwein 
sere bedwungen. Iwein 1723; 
mein herr der apt der darf dein (bedarf deiner). 
fastn. sp. 203, 14; 
mein herr Pinkenpank hat ain wein auf getan, 
da sült ir all zu gan. 454, 20 ; 
neuer nur noch in ironischen wendungen: 
mein herr Alcest — der schwärmt — mein weibchen schläft 
allein (Söller in den mitschuldigen). 
GöTHE 7,63; 
richt dieselbe anwendung hat meine frau gefunden (niederl. 
nevrouw, engl. mylady, franz. madame), da das deutsche frau 
>hne weiteren beisatz nicht so titelhaft steht wie herr, und ein 
jeisatz wie in frau fürstin!, frau generalin!, frau doctor! w. a. 
lie verwendung des possessivs ausschlieszt; nur das fremde meine 
daıne! hört man als anrede, mehr den plur. meine damen!, 
wofür im süden, namentlich unter älteren leuten, noch meine 
rauenzimmer!; mhd. konnte aber min vrouwe bei bloszer nen- 
nung gesetzt werden, wie heute noch die veralichenen niederl. 
ongl. franz. ausdrücke: 
si besahn in als ein wunder 
und sprächen alle besunder: 
wer brähte disen riter her? 
ob got wil, ez ist der 
den min vrouwe nemen sol. Iwein 28383; 
was noch im 16. jahrh. unvergessen ist! so hat er sunst ain 
zirchtag mit seiner Gertrauten, die ist herr im haus, gat 
MEIN
	        
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