Full text: Die Erziehung der Anschauung

4 I. Die geschichtliche Entwicklung der Anschauungslehre. 
Kindern zur Betrachtung vorgestellt werden. Wo solche 
bei sechs- bis achtjährigen Kindern fehlen, da ist keine 
Erziehung, weil nichts da ist, woran sie ihre sich regenden 
Kräfte üben können. Und welches sollen diese sinnlichen 
Gegenstände sein? Dies müssen uns die Kinder selbst 
lehren. Wir müssen ihnen ablernen, welche Gegenstände 
am meisten geeignet sind, ihre Aufmerksamkeit auf sich 
zu ziehen. Wenn man ihnen dann dieselben vorzeigt, So 
hat man nicht nötig, sie immer zu ermahnen: gebt Achtung, 
liebe Kinder! Sie fühlen in sich selbst den Drang zum 
Beobachten. Sie tun das, worauf ihr Erzieher hinarbeiten 
muß — sie erziehen sich selbst... Das Kind will seine 
Kräfte üben an sinnlichen Gegenständen; wie kann es dies, 
wenn ihm keine vorgezeigt werden?“ Diesen Worten aus 
Salzmanns Amezrsenbüchlein (1806) kann die Äußerung aus 
seiner Schrift Über die Erziehungsanstalt zu Schnepfental 
angereiht werden: „Da wir alle unsere Kenntnisse durch 
die Sinne bekommen, die den Stoff liefern, aus dem die 
Vernunft ihre Begriffe abzieht, so ist es wohl sehr nötig, 
daß zuerst die Sinne geübt werden.“ In seiner Schrift Noch 
otwas über die Erzichung klagt er über den damaligen 
Unterricht: „Es ist noch sehr wenig Anleitung zum eigenen 
Beobachten, eigener Erforschung, eigener Erwerbung der 
Kenntnisse, sondern der Lehrer arbeitet den Kindern vor, 
unterrichtet sie von dem, was er durch seine mühsamen 
Arbeiten herausgebracht hat, und das Kind verhält sich 
mehrenteils leidend.“ 
Alles das klingt sehr modern und auch die Ausbildung 
der Handfertigkeit, die wir als die modernste Forderung 
des Volksschulunterrichts ansehen,® war in der Salzmann- 
schen Anstalt bereits völlig zu Hause. Die Zöglinge wur- 
den in mannigfachen Arbeiten unterwiesen, Salzmann selbst 
sagt an einer Stelle: „Zur Erziehung des Menschen ist un- 
umgänglich nötig: Übung seiner Hände und Gewöhnung, 
von den Werkzeugen, die der menschliche Verstand erfand, 
Gebrauch zu machen.“
	        
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